Die Sätze totalelitärer Herrschaft
Herrschaft muss strukturiert werden. D.h. sie wird strukturiert durch ein System von Aussagesätzen, die das System behaupten, erklären, legitimieren, entsprechend den Interessen der Definitions-Mächtigen. Die Sätze, die das Handeln bestimmen. Herrschaft und die sie begründende Macht ergeben sich regelmäßig nicht aus zufälligem Handeln.
In arischen Systemen werden die Interessen der Mächtigen und die diese formulierenden Sätze mehr geheimgehalten, verschleiert, camouflagiert als offen ausgesprochen, sie kommen in den staatsoffiziellen Texten eher gar nicht erst vor. So enthält das Brd-Grundgesetz, das entgegen den Tatsachen auch gern als Verfassung ausgegeben wird, keinerlei Aussagen über die Mächtigen, die wirklichen Bestimmer, nicht einmal einen indirekten Hinweis auf sie, indem erwähnt wäre, wem die Brd überhaupt gehört. Und also keinerlei Hinweis auf die hinter den offiziellen Texten verborgenen Interessen. Stattdessen ist von Gott die Rede, werden Rechte proklamiert und mit harmlos scheinenden Einschränkungen versehen, wie die Meinungsfreiheit durch die persönliche Ehre, die im Bedarfsfall jederzeit den Vorwand liefert, all diese proklamierten Rechte total zu entwerten. Die Aussagesätze kosten nichts, sie sind in gewisser Weise beliebig. Ihre Richtigkeit, den Grad ihrer Verbindlichkeit festzustellen, ist kaum möglich, da niemand Statistiken darüber führt, wie oft und in welcher Weise wer vor Gericht mit Berufung auf die hehren grundgesetzlichen Normen Recht bekommt oder nicht.
Ferner bedarf es noch der Ge- und Verbots-Sätze, die das Verhalten der den Aussagesätzen Unterworfenen normieren sollen. Diese Ge-, Verbots-, und Befehls-Sätze eignen sich logischer- und naheliegenderweise eher, um aus diesen die Interessen der Mächtigen zu rekonstruieren, da sie weit weniger beliebig sind. Und können doch auch immer beides sein: sowohl identisch mit den wirklichen Interessen bzw. diesen entsprechend oder auch nicht. Einführend in diese Problematik sollen hier zwei der bekanntesten Gebots- bzw. Befehls-Sätze gegenübergestellt und analysiert werden:
1. Seid fruchtbar und mehret euch!
Die Frage, ob dieser allgemein bekannte Satz zur Strukturierung von hierarchischer Herrschaft geeignet ist, muss sicherlich und ohne langes Überlegen klar mit einem Nein beantwortet werden. Denn hierarchische, elitäre Herrschaft, also auch totalelitäre, braucht die Rückkopplung, also die Kontrolle darüber, ob die Ge- und Verbote auch eingehalten werden, was ein notwendiger Indikator dafür ist, ob die hierarchische Herrschaftsstruktur funktioniert. Dieser aus der Bibel bekannten Satz erlaubt genau das nicht. Denn wenn die Menschen sich aneinander vergnügen – auch wenn sie meinen, gerade dies nicht zu dürfen - und also mehren, erfährt der Mächtige eben nicht, ob sie seinem Befehl nachkommen oder ob die dasselbe genau so gern und gut täten ohne den herrschaftlichen Ukas. Denn sie taten es schon, als es noch gar keine Herrschaft gab. Und taten es unter jeder anderen, auch nicht elitären Herrschaftsform, insbesondere in der Deutschen Demokratischen Republik. So dass dieses Tun und also ein entsprechender herrschaftlicher Befehl keinerlei Kontrolle, Rückkopplung etc. gewährleistet. Dieser Befehl und die Befolgung desselben gehört bei den Menschen wie bei anderen Lebewesen auch zur natürlichen Grundausstattung. Seine Wiederholung durch die menschliche Herrschaft schafft Redundanz und damit Unschärfe über die Ursache der Wirkung.
2. Lebet im Zölibat!
Dieser Satz ist erstklassig zur Strukturierung von totalelitärer Macht und Herrschaft geeignet, wie die über 2000jährige erst elitäre und später totalelitäre Geschichte der katholischen (Staats-) Religion bzw. Kirche als Herrschaftsform beweist. Menschen, die sich diesem Befehl unterwerfen, zeigen damit hinreichend sicher die Unterwerfung unter die zutiefst irdische nach Belieben gewaltgeteilte oder monopolisierte Obrigkeit an, die diesen Befehl erteilt. Das Verhalten der Zölibatären und deren Obere zeigt dabei ebenfalls deutlich genug, dass es nicht darum geht, wirklich und absolut im Zölibat zu leben, sondern darum, den Satz anzuerkennen, sich dem Befehl und damit dem Befehlenden zu unterwerfen. Denn katholische Priester bis hin zu Bischöfen, Kardinälen, Päpsten haben stets bei öffentlicher Anerkennung des Satzes mit Nonnen, Haushälterinnen oder sonstigen Freundinnen Kinder gezeugt, also leibhaftige Zeugen gegen die Einhaltung des Satzes. Es gab Zeiten, da galt der Papstsitz als der weltgrößte Puff, Bischofssitze, Abteien waren gut gehende, weit bekannte Bordelle. In der Neuzeit herrscht diesbezüglich weitestgehende Diskretion, also Geheimhaltung. Zudem sind die öberschten Hierarchen so verknöchert, alt und ausgetrocknet, dass ihnen sowieso nur noch blinzeln und fummeln zuzutrauen ist, jedenfalls gegenüber erwachsenen Frauen. Die katholische Kirche ist neuerdings besser bekannt als weltweiter Pädophilen-Konzern und macht mit den gelegentlichen Spitzen des im Meer der Verbrechens schwimmenden Eisbergs Schlagzeilen. Die aber auch mehr verdecken als preisgeben.
Nicht die Verletzung dieses Herrschafts-Satzes verwirkt traditionell den Platz in der Hierarchie, sondern erst die Lossagung, seine Verleugnung. Ein für das Verstehen totalelitärer Herrschafts-Systeme wichtiger Fakt, denn nur so können die bekannte Doppelmoral-Geltungsbereiche konstruiert und immer wieder bestätigt werden: oben – unten, geheim - öffentlich. Die Staats-Kirchen-Sekten, also Profit-Centers bzw. deren obere Hierarchen kommen nicht zuletzt deshalb traditionell teilweise sogar für den Unterhalt der im Zölibat gezeugten Kinder auf. Die Voraussetzung: absolute Verlogenheit, also Verleugnung von Vaterschaft, Kind, Freundin und Sex mit dieser, jedenfalls in der Öffentlichkeit und in allen Suböffentlichkeiten. Der Zölibats-Brecher kann zu dieser Kondition sogar weiterhin Sex haben. Er ist als Sünder für die Hierarchen nützlicher, verlässlicher, gewollter als der wirkliche, der praktizierende Moralist. Denn der der Obrigkeit bekannt gewordene Sünder weiß um seine Sünde, also den maximale Bestrafung rechtfertigenden Regelverstoß, wie um das Wissen der Oberen um diesen. Sein Verbleib in der Hierarchie ist nun kein Recht mehr, sondern eine Gnade. Nicht seines Gottes - das wäre kein wirkliches Problem -, sondern der irdischen totalelitären Obrigkeit. Schafft also maximale Abhängigkeit des einzelnen von den über ihm firmierenden Hierarchen. Und in und um ihn Brutalität und Isolierung nach unten und horizontal. Denn er muss jegliche eventuell Erkenntnis zeugende Neugierde oder Weitergabe des seinen Status gefährdenden Wissens innerhalb und außerhalb des Apparats unterbinden. Die Geltung des Agreements zwischen der Obrigkeit und ihm ist durch den „Sündenfall“ selbst kaum gefährdet, sie ist es allerdings durch seine eventuelle Öffentlichwerdung. Dies schafft im Kader eine Atmosphäre wechselseitigen Misstrauens, von horizontaler Isolation und Ausspielbarkeit. Aber andererseits auch den unbedingten Zusammenhalt, den Kastengeist, der für den Nestbeschmutzer so tödlich ist wie für die Völkerschaften der Ungläubigen.
Interessant noch die psychischen Mechanismen, die offenbar das so Schritt für Schritt entmenschte Rädchen im Getriebe der Macht um so fester an diese bindet, je stärker das Menschsein unterdrückt wird. Wie die Frau des gewalttätigen Alkoholikers, die die Gewalt gegen sie erst recht an ihn bindet. Zwar nicht objektiv unentrinnbar, aber psychosozial. Und zuweilen bis in seinen oder ihren Tod.
Dass es den armen Betbruder regelmäßig um so brutaler und intoleranter macht, je brutaler und intoleranter er selbst behandelt wird, ist eine Konstante europäischer Geschichte. Dabei gäbe es eine ganz einfache Lösung: Erkenntnis der Gehirnwäsche und der Entmenschlichung sowie der Ausstieg aus dem, für die meisten allerdings unsichtbaren Gefängnis. Bezeichnenderweise gibt es nirgendwo staatliche Ausstiegsprogramme, wie es sie für andere psychisch, sozial doer sonst wie Abhängige gibt, die ja auch den verleugneten Kindern und ihren Müttern zugute kommen würden. Insofern ist diese ansonsten durch und durch privilegierte Herrschafts-Kaste an dieser Stelle absolut benachteiligt gegenüber Prostituierten, Scientology- und von anderem Süchtigen und Abhängigen. Ein unleugbares Kennzeichen der Macht der Institution Kirche, dass die psychische Notsituation ihres Kaders nicht öffentlich thematisiert werden und es keine staatliche Prävention noch Nothilfe geben darf.
Die Gegenüberstellung der beiden hier diskutierten Machtsätze ergibt per Deduktion folgendes:
Es handelt sich in beiden Fällen um Macht-Sätze aus dem Bereich der Pragmatik. Diese stellen Handlungsaufforderungen höchster Bekanntheit und Priorität dar. Das trifft offiziell vor allem auf den ersten Satz zu. Denn auch die Christenheit kann nur bestehen, wenn sich die Christen – trotz aller Frauen-, Natur- und also Sexfeindschaft – vermehren.
Während der erste Satz in der wichtigsten Textgrundlage sich christlich gebender Herrschaft, der Bibel, das sind die Gesetze der Christen, kodifiziert ist, ist der zweite dort nicht kodifiziert. Er ist hernach aus Gründen der Machtstrukturierung eingeführt und mittels Interpretation der Bibel recht frei, um nicht zu sagen phantasievoll begründet worden.
Beide Sätze werden praktiziert bzw. wenigstens anerkannt von den katholischen Anhängern der Bibel und der sich christlich nennenden Gefolgschaft und sollen es. Auch wenn es hie und da gegen den zweiten feiges Murren im Fußvolk gibt.
Der erste, der im offiziellen Rang höher stehende, da in der Bibel kodifizierte Satz, spielt für die Konstruktion und Durchsetzung hierarchischer Herrschaft praktisch keine Rolle. Während der offiziell rangniedere, nicht in den Gesetzen kodifizierte, der für die Konstituierung von Herrschaft und die sie stützende Macht wichtige ist.
Der Satz also, der identisch ist mit der Natur, nämlich Bedürfnislage des Menschen, ist zwar kodifiziert, wird aber nicht zur Grundlage der menschlich-hierarchischen Ordnung gemacht. Denn er taugt genau deswegen nicht dazu weil er nicht für die Macht der wenigen Hierarchen über die große Mehrheit des Fußvolkes taugt. Der Satz, dessen Befolgung eine Pervertierung des Menschen bedeutet und die im Herrschafts-Kader praktizierte perverse Lebens-Praxis der Menschen, die sich diesem Satz unterwerfen, begründet, ist hingegen ein zentraler Satz der Konstruktion von Herrschaft und Macht. Denn dieser Satz schmiedet den Kader mittels maximaler totalelitär-hierarchischer Kontrolle, Brutalisierung, Entmenschlichung, Intoleranz, Verblödung. Und setzt ihn in Gegensatz zur übergroßen Mehrheit der Menschenheit.
Schlussfolgerung: Zur Konstruktion und Durchsetzung hierarchischer Macht, also auch totalelitärer, eignen sich naturnahe, also vernünftige Sätze aus dem Bereich der Pragmatik nicht, da sie keine Rückkopplung hinsichtlich des Funktionierens der Macht- und Herrschaftshierarchie ermöglichen, während Sätze, die der Natur des Menschen widersprechen und also unvernünftig sind, sich bestens eignen, ja notwendige Voraussetzung für die Konstituierung totalelitärer Herrschaft ist. Dass die offiziell rangniederen Sätze die tatsächlich wichtigeren sind und umgekehrt, die offiziell höchsten Sätze für die Konstruktion der Herrschaft, jedenfalls zum Teil, kaum eine bis keinerlei Rolle spielen, ist dabei kein Widerspruch, sondern kennzeichnen die Qualität der Herrschaft als eine verlogene, manipulative, totalelitäre.
Nun kann gezeigt werden, dass Adäquates auch für die Aussage-Sätze der Macht gilt. Dass nämlich zwischen dem offiziellen Schein und dem tatsächlichen Sein sich die selbe Kluft, die selben manipulativen Absichten oder doch Verhältnisse auftun wie bei den pragmatischen.
Vernunfts- und Unvernunftssätze
Was für Naturnähe und -ferne gilt, ist auch für Vernunftsnähe und -ferne allgemein zu zeigen. Wenn ein Mensch tatsächlich Bestehendes, allgemein als wahr Anzuerkennendes behauptet, so lässt sich für die Konstruktion von antidemokratischer Macht daraus überhaupt nichts gewinnen. Zwar benötigt jede Herrschaft auch wahre Aussagen, nämlich um das tagtägliche Leben, das menschliche wie gesellschaftliche Fortbestehen zu organisieren, aber mit diesen lässt sich Herrschaft nicht konstruieren. Schon gar nicht als demokratisch firmierende.
Daraus folgt, dass in totalelitären Systemen die Sprache in mindestens zwei Bereiche zerfällt, ja zerfallen muss:
Der Bereich der Lebenspraxis, in dem die Sprache im Konkreten, zwar auf möglichst niedrigem Niveau weitgehend echt, weitestgehend identisch mit den Interessen der Menschen bleibt, jedenfalls denen, die nicht beseitigt werden sollen, und die natürlichen Gegebenheiten des Menschen adäquat wiedergibt.
Der Bereich der sprachlichen Konstruktion von Herrschaft, der die gegenteilige Ausprägung hat, der also möglichst verlogen, pervers und unvernünftig ist. Hier treten notwendig deutliche Differenzen zur Natur des Menschen, zum Vernünftigen, Logischen auf. Diese Bereiche sind die der Ideologie einschließlich Religion, Politologie, Schulökonomie, der Justiz, der Massenmedien, der Pädagogik usw.
Beide Sprachen haben gemeinsame Schnittmengen bzw. gehen sie ineinander über, andererseits aber auch die Tendenz, von einander abgesonderte Sprachräume zu bilden. Eine größere Durchdringung, die Verschmelzung beider in der totalelitären Herrschaft kann als Indiz einer gesellschaftlichen Krise angesehen werden. Z.B. wenn Sätze der politischen Herrschaft dem Selbsterhaltungstrieb der Individuen oder anderen menschlichen Grundbedürfnisse direkt und offen widersprechen, wenn die Herrschaft fordert, diese in die allgemeine Lebenspraxis zu integrieren und die Unteren dieser Forderung nachkommen. Wie die Aufforderung, für Führer, Volk und Vaterland den sogenannten Heldentod zu sterben.
Zurück zur Vernunft. Wahre Aussagen erlauben der Herrschaft keinerlei Rückkopplung. Nur die systematische Abweichung von Wahrheit und Vernunft, der systematische Fehler im Sinne objektiver Erkenntnismöglichkeit macht dies möglich. Je offensichtlicher dieser ist, je einfacher die Unwahrheit oder Lüge zu erkennen ist, desto besser eignet sich ein solcher Satz zur Herrschaft konstruierenden Rückkopplung, kann die Herrschaft an ihrer Verwendung ablesen, wer der Herrschaft folgt, wer sich der Macht, also der objektiven Dummheit, Verwirrtheit, Inkonsistenz ihrer Sprache unterwirft und wer nicht. Dabei ist auch das historische, das zeitgeistige Moment zu beachten. Also das Maß Lächerlichkeit, dem sich der einzelne durch Befolgung sprachlicher Vorgaben preisgibt in Abhängigkeit von den gesellschaftlichen Umständen. Allerdings ist nicht jede Rückkopplung in jeder Situation brauchbar.
Je offensichtlicher die Unwahrheit, der Widerspruch zu den Tatsachen, desto größer die Zumutung für die Gefolgsleute, einen falschen Satz verwenden zu sollen. Es gibt grob gezählt fünf Kriterien, die diese Zumutung hinnehmbarer macht:
Druck der Herrschaft auf die Verwender, die Herrschafts- und Machtsätze zu verwenden.
Die Gedrückten wissen, dass der Druck den Empfängern der Botschaft bekannt ist.
Hohe Belohnung durch die Herrschaft für die Verwendung.
Die potenziell Belohnten dürfen annehmen, dass die Belohnung möglichst wenig bekannt ist; öffentlich über diese zu reflektieren ist tabu.
Die Gefolgsleute sind so indoktriniert und von der Lebens-Wirklichkeit isoliert, dass sie kaum etwas oder gar nichts mehr merken. Weder die Blödsinnigkeit noch ihre Lächerlichkeit.
Der Wahrhaftige ist, zumal in den nach- bzw. antimodernen Zeiten der Klüngelrunden und Schwarzgeldaffairen, der Wahlversprecher und Arbeitsausschüsse, des Lobbyismus und der heimlich-öffentlichen Denunziationen für Machthierarchien ganz und gar nicht zu gebrauchen. Wer wahr spricht, zeigt nur, dass er mindestens halbwegs gesunde Sinne hat, aber nicht, dass auf ihn Verlass wäre bei der Verteidigung gemeinsamer, verlogener, antidemokratischer Gruppen-Interessen. Das ist nicht nur zu wenig, das ist weit schlimmer, nämlich falsch. Im christelnd-abendländischen Kontext sogar gotteslästerlich.
Die verschiedenen, hier aufgezeigten Kriterien verweisen darauf, das totalelitäre Herrschaft immer wieder vor einem Optimierungsproblem steht. Die Faktoren Widernatürlichkeit, Unvernunft, Unzumutbarkeit sind dabei zu berücksichtigen.
Macht und Sexualität
Dass beide oben analysierten Haupt-Sätze totalelitärer Macht die Sexualität betreffen, ist alles andere als ein Zufall. Zwar bilden unsere phylogenetisch über Jahrmillionen erworbenen, angeborenen Triebe, die in unser Genmaterial eingegangenen Grundlagen unserer Existenz, also auch die der Konstruktion von Herrschaft und ihrer Durchsetzung, des Machtstrebens. Aber die Kontrolle der Sexualität ist innerhalb der anderen Kontrollen und Eroberungen der zentrale Punkt, auf den es bei der Konstruktion von Herrschaft ankommt. Zumal im nachmodernen Zeitalter, da in den Kernländern totalelitärer Herrschaft das Produktionsnivau so hoch ist, dass die konsumtiven Grundbedürfnisse leicht befriedigt werden können und diese Gesellschaften sich formell einem Menschenrechtekatalog verpflichtet haben, die jedem Essen, Wohnung, Arbeit etc. zusichert. Die Sexualität kommt außer im Selbstbestimmungsrecht des Individuums und der Gleichstellung der Geschlechter faktisch nicht vor. Auch kein Zufall. Sie soll als Beherrschungs-Schnittstelle des Individuums auf alle Fälle erhalten bleiben.
Heute wie früher lässt sich auch an der Befriedigung solcher Grundbedürfnisse wie das Überhaupt-Leben-Wollen, das Behaustsein und die Ernährung der Rang des Menschen in der hierarchischen Gesellschaft ablesen. Die Könige, die Herr über Leben und Tod ihrer Untertanen sind, die in Palästen leben und immer Augenmerk auf ihre bevorzugte Nahrungsversorgung haben, sind als Ranghöchste an genau diesen Attributen zu erkennen. Die Wohnung des Königs ist der Palast, die des Bürgers das Haus, die des Knechts die Hütte. Andererseits, das ist die Dialektik dieses Problems, konstituieren sie diese Hierarchie damit auch: Sind Ihre Schlösser und Burgen erst einmal auf Grund der Machtkonstellation per Zwang von den Unteren für die Oberen errichtet, machen diese sie sicherer gegen jene. Zu deren Lasten die Sonder-Versorgungs-Systeme existieren. Die Steuern und Zehnte, die sie den Unteren aufzwingen, machen sie und ihre Gefolgschaft auch körperlich den Unteren überlegen, erlaubt ihnen bessere Nahrung und medizinische Versorgung, ihre Zeit mit Waffenübungen oder Paragraphen-Disputationen zu verbringen und die Herrschaft über Leben und Tod, Wohlstand oder Ausschluss vom Konsum nicht nur verbal anzukündigen, sondern im Macht-Bedarfs- oder Launenfall auch auszuüben. Die offen-brutale Variante entsprach der frühen elitären Machtausübung der Raubritter und Feudalherren. Also der so genannten weltlichen Macht. Die andere eher der religiös, also glaubensmäßig begründeten. Die Verschmelzung beider Machttechniken im Nationalstaat eröffnet die Möglichkeiten neuer, totalelitärer Qualitäten.
Auch die katholischen Päpste, Bischöfe und Kardinäle unterwarfen, wo sie es für nötig hielten und vermochten, mit offener Waffengewalt die Ungläubigen oder Abtrünnigen ihrer Macht und Herrschaft. Eine Tradition die sie bis in die Gegenwart fortführen, indem die Bistümer enorme Mengen Geld nach Rom transferieren und über die dunklen Kanäle päpstlicher Bankimperien lateinamerikanische Todesschwadronen genau so aufgerüstet wurden und werden wie Schmuggler- und Separatisten-Armeen auf dem Balkan vom Ende der 1970er bis Ende der 1990er Jahre. Aber sie entwickelten darüber hinaus auch Machttechniken, die weit tiefer in den Menschen wirkten und sich letztlich als die effektiveren erwiesen haben.
Das kann leicht mit dem Macht-Kompromiss erklärt werden, der sich über die Jahrhunderte zwischen der feudalen Papstkirche und ihren bischöflichen Machtzentren einerseits und den Fürsten- und Königshäusern sowie den Repräsentanten des Bürgertums andererseits herausbildete. Die Kirche musste lernen, über die Menschen zu herrschen ohne die Anwesenheit eigener stehender Heere und Polizeieinheiten. Und in Art und Ziel ihrer Herrschaft die Kreise der örtlichen und regionalen Herrscher nicht allzu sehr zu stören. Was einer der wesentlichen Gründe der deutschen Reformation war. Die weltlichen Herrscher lernten, dass der Vorteil der ständigen religiösen Indoktrination durch eine darauf hoch spezialisierte Drücker-Kolonnen-Organisation den Nachteil des Teilenmüssens der Erträge bei weitem überwiegt. Jedenfalls erweist sich diese Art der Herrschaft auf die Dauer als effektiver, zumal gegenüber Völkern, die nicht erst erobert werden müssen, sondern über deren Willen schon die eigene Herrschaft errichtet ist. Und nunmehr für ihren Erhalt ständig bestätigt und effektiviert werden muss.
Die Unterwerfungsarten, ihre Vor- und Nachteile
Die Unterwerfung mittels Waffengewalt macht die Unterworfenen zumindest tendenziell unbrauchbar. Die konsequenteste Unterwerfung ist der Tod. Aber Tote roden keine Wälder, schürfen kein Gold, pflücken keine Baumwolle, besorgen den Herrenmenschen von Gottes Gnaden per eigener Ernennung weder den Haushalt noch die sexuelle Notdurft. Sie konsumieren auch nicht. Mit Toten lässt sich also heute so wenig Staat machen wie ehedem, auch keiner, dessen Sinn das Wohlleben weniger auf Kosten von Mehrheiten ist. Zudem ist zuweilen erhebliche Verletzungsgefahr gegeben, da auch Menschen, für die christlich-abendländische Herrenmenschen selbstherrlich entschieden haben, dass sie zu sterben hätten, den naturgegebenen Selbsterhaltungstrieb besitzen. Wie beispielsweise die Angehörigen der deutschen Wehrmacht vor Stalingrad feststellen mussten wie vor ihnen die Kreuzzügler einer 2000 jährigen Bekehrungs-Mord-Politik.
Auch lebende Menschen in Ketten sind nicht das non plus ultra und nur für niedere Arbeiten in einfachen Wirtschafts- und Herrschaftszusammenhängen und zwar nur bedingt zu gebrauchen. Solche Tätigkeiten sind: Galeeren rudern, Baumwolle pflücken oder Bergwerksarbeit und einige weitere. Überhaupt sind Menschen, die persönlich äußerlich versklavt und in ihrer physischen Bewegung eingeschränkt sind, in modernen, erst recht in antimodernen Zusammenhängen kaum zu gebrauchen und verursachen zudem die Kosten ihrer Bewachung und Versorgung. Schon weil sie einander an ihren Ketten erkennen und tagtäglich sehen können, dass sie in totalelitären Gesellschaften in der Mehrheit sind. Der sogenannte Dalei Lama firmiert zwar als Weiser der westlichen Welt, was aber trotz des Friedensnobelpreises das Prinzip der Leibeigenschaft, das er tatsächlich symbolisiert, nicht effektiver macht. Der Preis wurde ihm aus ideologischen Gründen in Konfrontation mit den VR China angehängt. Sklaven und Leibeigene sind in ihrer Verwendbarkeit in antimodernen Zusammenhängen zu stark eingeschränkt, der Aufwand der Beaufsichtigung ist ungeheuer groß und also teuer. Regelmäßig werden zudem ihre Besitzer für die miesen Zustände moralisch und juristisch haftbar gemacht. Ihr Leben, also das der Sklaven, ist zu stark entwertet, als dass sie es überschätzten. Weshalb sie zu Revolten neigen, die immerhin das Risiko des Todes ihrer Besitzer und des Aufsichtspersonals beinhalten. Die Revolten haben auf Grund des realen Gegenüberstehens der gesellschaftlichen Kontrahenten sehr konkrete Zielpersonen. Das macht deren Leben ungemütlich bis gefährlich und das der Familien ebenso. Nicht zuletzt auf Grund der Entwertung des Lebens der Sklaven und Leibeigenen durch die Situation der Herrschaft über sie.
Die Unterwerfung per Waffengewalt, mit Peitschen und gegenständlichen Ketten ist zudem ein zu billiger, unbefriedigender Sieg im Vergleich mit der Unterwerfung der Lebenden unter den Gott der Herrschenden, damit unter die Anerkenntnis der Herrschaft der Sieger, diese als naturgegeben, als der Natur der Beherrschten entsprechend von diesen empfinden zu lassen. Und damit unterwürfige Gefolgschaft zu sichern. Bis hin zu der Unmöglichkeit, dass die Unterworfenen die Unterwerfung überhaupt erkennen und spüren. Wie man einen Hund abrichtet und nicht etwa zufrieden ist, wenn man ihn töten muss, weil er nicht gehorcht und gelegentlich die Hand beißt, die ihn füttert. Erst da er freudig mit dem Schwanz wedelt, wenn er seines Herrchens angesichtig wird, da er eifrig die Pantoffeln bringt und die Füße leckt und man diese Abrichtungs-Ergebnisse freudig und stolz seinen Kumpels vorführen kann, ist das höchste Unterwerfungs- und Erziehungziel erreicht. Wie die Regierenden und Kirchenfürsten von alters her ihren Amtsbrüdern und -schwestern gern bei Staatsbesuchen u.ä. die Untertänigkeit und den Gehorsam der Untertanen vorführen. Und die Baumwollplantagenbesitzer in den US-Südstaaten den ihrer Onkel Toms.
Früh hat das der Macht-, Tötungs-, Umerziehungsapparat der jesusfundamentalistischen Herrschaftsinstitutionen verinnerlicht und praktiziert. Wie man an den Eroberungs-, Unterwerfungs- und „Bekehrungs“-Aktivitäten und Ergebnissen in Südamerika und später auch in Nordamerika belegen kann. Wo die einheimische Bevölkerung zu Millionen und aber Millionen zunächst mit Waffengewalt wesentlich dezimiert wurde, um die verbliebenen Reste dann dem europäischen, weißen Gott und also Papst und Königen zu unterwerfen und damit der Herrschaft des weißen Mannes und der Ausbeutung durch diesen. Wiewohl der Gleichschritt zwischen weltlichen Gaunern, Raffern und Massenmördern mit den Bibel-Predigern bis in die Antimoderne anhält, wie man mit dem Anschluss der DDR an die Brd beobachten konnte wie auch bei der Zerschlagung Jugoslawiens, des Iraks.
Offenbar ist es für die Beibehaltung und effektive Machtausübung, also für den Profit der Mächtigen innerhalb des eigenen Einflussbereichs auf Dauer nicht sonderlich günstig, immerfort öffentlich Untertanen zu hängen oder auspeitschen zu lassen, ihnen ihre Häuser über dem Kopf anzuzünden, ihre äußeren Über-Lebens-Grundlagen immer wieder sichtbar mutwillig zu zerstören. Wie man aktuell seit Jahrzehnten in Israel und Palästina an den Palästinensern praktiziert studieren kann. Die Beherrschung der Menschen nach ihrer Unterwerfung mittels dezentraler Beherrschung der individuellen Befehlszentralen, ihrer Psyche, insbesondere mittels Regulierung ihrer Sexualität ist offenbar das effektivere Mittel. Und der christlich-abendländischen Kirche kommt das Verdienst zu, entsprechende Techniken entwickelt und ständig perfektioniert zu haben. Sie verfügt über und praktiziert weltweit das am längsten erprobte, ausgeklügelste, effektivste, die menschlichen Individuen am tiefsten zersetzende System von Machttechniken der Weltgeschichte. Ein riesiges Arsenal des Psychoterrors, der Hinterhältigkeiten, der Tricks, Verführungen und Fallen. Deren Perfidie sich nicht zuletzt darin ausdrückt, dass sie obendrein den Unterdrückten als höchste moralische Anstalt gilt. Die Unterdrückten und Geduckten küssen den Repräsentanten der Unterdrückung Hände und Füße. Und nicht nur im übertragenen Sinn. Die lassen es geschehen wie der Hundebesitzer die Ehrerbietungen seiner vierbeinigen Freunde. Mehr Selbsterniedrigung der Unteren war nie und nirgends!
Zu einem Großteil sind diese kirchlichen Techniken in die staatlichen Machtmechanismen der kapitalistischen Kernländer übergegangen. Kein Wunder, denn diese kriminelle Groß-Organisation ist ja, mal mehr – mal weniger, Miteigentümerin dieser Staaten und übt als Institution und über ihre führenden Mitglieder direkten Herrschaftseinfluss in allen Staaten der westlichen Welt aus. Bei den deutschen Original-Nazis waren diese Machteilnahme und das Eigentümerverhalten besonders ausgeprägt und offen demonstriert. Und also auch die Anwendung jesusfundamentalistischer Methoden durch staatliche Institutionen. In einigen wenigen dieser westlichen Länder wie in der Türkei und in Israel scheint dieser direkte Einfluß geringer zu sein als in den allermeisten.
Die natürlichen Grundlagen der Herrschaft
Von der Ethologie, der Wissenschaft, die sowohl die Lebensweise der Tiere, als auch die Sitten und Gebräuche der Menschen umfasst, wissen wir, dass es auch bei unseren äffischen und in archaischen Strukturen lebenden menschlichen Vorfahren Hierarchie gab. Nicht jede Hierarchie ist auch Herrschaft. Jedenfalls wenn wir Herrschaft ansehen wollen als eine bewußte Machtausübung gegenüber den anderen, ihnen weniger Mittel zu ihrem kollektiven Überleben zuzugestehen und also Nachteile zu verschaffen für das Überleben, als egoistischer Zweck, als Vorteilsverschaffung des bzw. der Herrschenden. Aber jede bisher bekannte Herrschaft braucht Hierarchie.
Auch in den ursprünglichen archaischen Hierarchien, die weit überwiegend dem Überleben aller dienten, beanspruchen die ranghöchsten Individuen privilegierten Zugang zu Nahrung, Schlafplatz und anderes mehr. Die sexuelle Betätigung ist ebenfalls hierarchisch reguliert. Allerdings gibt es unter anderen hier einen für unser Thema wesentlichen Unterschied zu heute: Bei den Primaten wird die Sexualität gruppenöffentlich praktiziert. Sie ist für alle sichtbar, also prinzipiell kein Geheimnis. Die Position des Individuums in der Gruppe bestimmt über seine sexuellen Möglichkeiten, diese repräsentieren also seinen Position. Sexuelle Praxis definiert also Status. Für alle gut sichtbar.
Mit der Behausung und Bekleidung des Menschen und der Etablierung des Patriarchats und damit der Regulierung der Sexualität in Richtung Monogamisierung, jedenfalls der Mädchen und Frauen, verschwindet die Ausübung der Sexualität immer mehr im individuellen Geheimbereich der Ehe, kommt sie unter Verschluss. Sie wird der Öffentlichkeit, den Blicken der anderen entzogen, was offenbar eine wesentliche Grundlage, aber auch Begleiterscheinung der Menschwerdung des Affen, der Kulturbildung ist. Andererseits leben unsere alten, natürlichen, tradigenetischen Grundlagen in uns Menschen weiter und sind z.B. die Bedürfnis-Grundlage für pornographische Produkte aller Art. Koitierenden Individuen beim Sex zuzusehen ist Bestandteil äffischen Lebens, der Sex-Neid der Passiven ist einerseits Ersatz für das, was sie selbst nicht haben können, da sie im Rang zu niedrig sind, andererseits Antrieb, einen höheren Rang für sich selbst durchzusetzen. Falls möglich. Es wenigstens zu versuchen, den Kampf dafür aufzunehmen.
Die heutige Nutzung pornograhischer Angebote in den antimodernen Gesellschaften scheint allerdings lediglich Ersatz zu sein, kaum Antrieb für irgendwas außer für mehr des gleichen, also mehr Pornographie konsumieren zu wollen. Rangerhöhung mittels Pornos ist kaum möglich und kaum erkennbar, da zwischen dem, was der Porno-Kunde sieht, und seinem Rang in der Gesellschaft kein direkter Zusammenhang mehr besteht. Da er dem Film-Männchen dessen Rang gar nicht streitig machen könnte, selbst wenn er wollte. Anders als in archaischen Gesellschaftsstrukturen. Vielleicht ist diese Entfremdung, also die Unmöglichkeit aus der Frustration des Zuschauers Impulse für die Rangänderung zu generieren, auch eine der Ursachen für diverse Formen sexueller Abnormitäten und also Straftaten, für die nicht zuletzt oft ein Zusammenhang besteht zum Konsum pornographisch-kommerzieller Produkte. Die Frustrationen der Orientierungs- und Bewußtlosen finden wohl andere Ventile als die der im archaischen Zweikampf Unterlegenen.
Die bipolaren Genstrategien
Bei unseren äffischen Vorfahren und nächsten Verwandten streben beide Teile der sexuell zweigeteilten Gesellschaften für die sexuelle Betätigung attraktive Partner an. Die Weibchen suchen, von ranghohen Männchen begehrt und begattet zu werden, die ranghohen Männchen machen Anspruch darauf, ihre Partnerin, ihren Harem möglichst für sich zu haben, also die Rangniederen von den Weibchen fern zu halten, schon gar während ihrer fruchtbaren Phasen, und junge, eben erwachsen gewordene, nun fortpflanzungsfähige Weibchen als erste und möglichst einzige zu begatten. Die Wissenschaft nennt das Gen-Strategien: Die männlichen wollen ihre Gene möglichst breit streuen und also die Weitergabe sichern. Die weiblichen die Versorgung der von ihnen unter vergleichsweise enorm hohem Energieaufwand und Risiko ausgetragenen und aufgezogenen Jungen absichern. Diese Strategien müssen den Individuen nicht - schon gar nicht bis ins letzte – bewusst werden. Sie sind phylogenetisch übersetzt in das Triebhafte, in angeborene ästhetische Kompetenzen. Diese bedeuten, dass wir schön und attraktiv finden und dass wir also begehren, was die Wahrscheinlichkeit der Reproduktion, von gesunden Nachkommen erhöht. So entspricht das weibliche Schönheitsideal dem Aussehen der Frau zum Zeitpunkt höchster Fruchtbarkeit und höchster Wahrscheinlichkeit, dass das weibliche Individuum ihre Nachkommen möglichst bis zur Selbständigkeit betreuen und versorgen kann. Das ist der Zeitpunkt zu Beginn ihrer Geschlechtsreife, das Teenageralter. Mode-, Werbe-, Kosmetikindustrie hypertrophieren genau diese Jugendlichkeitsmerkmale, und auch die Frauen selbst suchen seit alters her durch die bekannten Tricks diese Merkmale vorzutäuschen, auch wenn sie schon längst biologische Vergangenheit sind, um sich für die Männchen interessanter und attraktiver zu machen. Das kräftige, voluminöse, lange Haar mittels Lotionen, Sprays, Haarteil, der zarte Teint mittels Make ups und Puder, die straffe, hohe Brust mittels BH, die Jungmädchen-Silhouette mittels möglichst hoher Absätze usw.
Die Funktionalisierung der genetischen Lebensgrundlagen des Menschen
Die Einflussnahme auf die Lebensgrundlagen der Individuen in Richtung Ungleichheit, auf die Bedürfnislagen und Befriedigungsmöglichkeiten weg vom Natürlichen, konstituiert also Macht. Derjenige Lebensbereich, der mit Entstehung der menschlichen Kultur geheimgehalten wird, eignet sich offenbar, zumal auf Dauer, besser als die der offen bzw. öffentlich gelebten. Diese Zweiteilung der Lebensbereiche entspricht offenbar nicht zufällig den Strukturen moderner und antimoderner bürgerlich-feudalistischer Staaten, die ebenfalls wesentlich bestimmt sind durch eine Zweiteilung in einen öffentlichen und einen Geheimbereich. In denen in aller Öffentlichkeit aller möglicher Schwindel verhandelt wird, während in den klüngelhaft-lobbyistischen Geheimbereichen, die vor der Einsicht- und Einflussnahme der Bevölkerungen sicher abgeschirmt sind, die Entscheidungen getroffen und die Weichenstellungen vorgenommen werden. Welche dann wiederum in der öffentlichen Diskussion nachvollzogen und plausibel gemacht werden dürfen. In der es genau umgekehrt zu scheinen hat, als habe nämlich die öffentliche, mediale Diskussion die Weichenstellungen bzw. Entscheidungen herbei geführt.
Auch die so genannt weltliche Macht gebrauchte und braucht den Eingriff in die sexuellen Verhältnisse der Menschen. Da wäre das „Recht der ersten Nacht“ zu nennen, das „Recht“, sich nach Gutsherrenart die schönen Töchter der Untertanen gefallen zu lassen und sie zu deflorieren. Da sind Jungfernschafts- und Keuschheitsgebote für unverheiratete Mädchen und verheiratete Frauen, Diskriminierungen unehelicher Kinder, die Norm, dass verwitwete Frauen keinen anderen, nächsten Mann haben, Frauen nicht allein in Bars gehen, nicht öffentlich rauchen, da sind Schwangerschaftsunterbrechungsverbote und Splittingtabellen, die Verbote, sich an Badestränden und auf Liegewiesen sommers nackt zu zeigen. Alles zumindest auch religiös begründete Eingriffe in die Natur, die Sexualität, Selbstbestimmungs- und Freiheitsbestrebungen des Menschen, die zum Teil in die bürgerliche Gesetzgebung transformiert wurden, zum Teil auch heute noch gelten und Herrschaft über die Menschen konstituieren. Übrigens eignet sich die Sexualität nicht zuletzt deshalb besonders gut für die Unterwerfung der Individuen, weil mit der Bestrafung der Kinder, der Mütter oder beider Eltern der Kinder auch die Folgen des Tuns bestraft werden können und zwar gemessen an menschlicher Lebenszeit recht lange. Was ist dagegen schon die unendliche Hölle als Drohkulisse?!
Die 1968er Revolte im Westen betonte neben der ökonomischen Basis von Macht, neben marxistisch geprägter Basis-Überbau-Dialektik gerade die Zusammenhänge zwischen repressiver Staatsgewalt und repressiver Sexualität. Die gewonnenen Bildungsfreiheiten für viele ab den 1960er Jahren beförderten zusammen mit der im Westen Deutschlands unverdauten Hitlerei Erkenntnis. Viele spürten, was sie erkannt hatten, und erkannten, was sie spürten. Der Versuch der sexuellen Befreiung als Befreiung von über Hunderte von Jahren tradierter staatlicher Repression traf dieses System empfindlich. Weit empfindlicher jedenfalls als das Attentat auf Hitler oder der Tod eines Schleyer, die Enttarnung dieser oder jener anderen NSdAP- oder SS-Mitgliedschaft, dieses oder jenes Blutrichters: Globke, Oberländer, Kiesinger, Filbinger, Genscher, Grass usw. Weitreichender und länger wirkend womöglich als der Einmarsch der Roten Armee in Berlin.
Im Osten begann die Befreiung der Sexualität von den Einflussnahmen von Kirche und Staat viel früher und verlief unspektakulär, dafür aber weit früher, tiefer und nachwirkender. Wie alle halbwegs seriösen, vergleichenden Studien ab 1990 zeigen. Das Begann mit der konsequenten Trennung von Staat und Kirche. Praktisch verlor letztere ab 1945 im Osten den bestimmenden Einfluss auf die Gesetzgebung und gesellschaftliche Konventionen, die sie bis zum bitteren Ende der Hitlerei wie eh und je inne hatte. Was sie nicht zuletzt dadurch demonstrierten, dass sie den ihnen gegenüber schutzlosen Schülern die Liebe zum „Führer“ mit dem Rohrstock einbleuten. Ihre führende gesellschaftlich Rolle büßten die Pfaffen entgegen der westlichen Nachkriegspropaganda zuletzt ein wegen der offenen und tiefen Kollaboration mit den Hitleristen. Eine wahre Befreiung! Die Frauen, die 1945 die Trümmer weg räumten und auf Grund der Kriegsbeteiligung der Männer auch in allen Betrieben und Verwaltungen das gros der Mitarbeiterschaft stellten, mussten – anders als im Westen - nach Rückkehr der Männer aus der Kriegsgefangenschaft nicht wieder zurück in die Küche an den Herd. Sie behielten ihren bestimmenden Einfluss. Die Ersetzung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch das Zivilgesetzbuch (ZGB) der DDR unter Leitung einer Frau Hilde Benjamin, die Förderung junger Frauen und nachträglich auch der schon etwas älteren, die bildungsmäßig bis in die ersten Jahre der DDR benachteiligt waren, mittels späterer Sonderstudiengänge, die Kinderbetreuung, die sehr frühe rechtliche Gleichstellung und soziale Förderung unehelicher Kinder und anderes mehr, befreiten die Menschen – nicht nur die Frauen – von Ungleichheiten und ihren ungleichen Folgen, die immer auch Repression sind bzw. hervorbringen, Stück für Stück von den tradierten Regulierungen der Sexualität und den diskriminierenden Folgen sexueller Betätigung. Etwa zeitgleich mit dem Westen erfolgte dann die Einführung der chemischen Antikonzeptiva Ende der 1960er Jahre sowie – geradezu revolutionär – darüber hinaus die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs mittels einer Fristenregelung. Beides auf Krankenschein. Einlösung einer alten Forderung der Arbeiter- und Frauenbewegung. Mit erheblichen Folgen für die Struktur der Herrschaft in der DDR. Eine heute kaum noch nachvollziehbare Reduktion von Herrschaft überhaupt, die in der Weltgeschichte ihres gleichen sucht!
Conclusion bis hierher
Fassen wir bis hierher zusammen: Von unseren natürlichen Anlagen eignen sich die sexuellen besonders gut für die Konstruktion von Herrschaft und also die Beherrschung der Mehrheiten durch die jeweiligen minderheitlichen Obrigkeiten. Unsere Sexualität findet seit Tausenden von Jahren immer mehr im Verborgenen statt, sie ist phylogenetisch wie tradigenetisch an unser hierarchisches Verhalten gekoppelt, schafft, wo es zu sexueller Kommunikation zwischen Individuen kommt, zwischen diesen besonders enge Bindungen, aber unter Umständen, insbesondere hernach, auch besonders tiefe Trennung. Sie hat arterhaltende Folgen, über die die Individuen wiederum bestraf- und beherrschbar sind. Denn die Kinder sind seit jeher die Geiseln der Mächtigen, ihre Verletzbarkeit, Schutzbedürftigkeit, Abhängigkeit, Versorgung das ultimative Geschirr, in dem die Unteren in allen bisherigen hierarchischen Systemen letztlich unbefreibar gefangen bleiben. Wenn die Herrschaft es will. Die Tabuisierung der Sexualität und des Sprechens über diese, die jahrhundertelange Reglementierung ihrer Ausübung durch die europäische Zentral- und Staatskirche war einerseits eine Rangeinstufung unterhalb derer, die diese Normen vorgaben, andererseits eine, die als solche kaum wahrgenommen werden konnte. Sie legte den Menschen einerseits Ketten an, die sie daran hinderten, Mensch zu sein, die sie hinderten, glücklich, erfüllt, ihrer natürlichen Bestimmung gemäß zu leben, und zwar zugunsten einer göttlichen Bestimmung bzw. angeblich auf Gottes Geheiß. Andererseits wurde die Unfreiheit – anders als bei äußerlichen Ketten aus Metall - so tief in sie selbst implementiert, dass sie dadurch gegen diese wehrlos wurden und also gegen etliche andere. Zwangsmaßnahme und Symbol der Zwangsmaßnahme gleichzeitig innerhalb dieses Politik-Konzeptes ist die Bekehrung der Naturvölker, ihre Scham – wie die Christianisierer das nennen – zu bedecken. Eine Maßnahme, die diese als Re-Christianisierer auch recht erfolgreich ab 1990 in Deutsch-Nordost praktizierten.
Bis heute lebt die Praxis der Herrschaft über die Sexualität aus den frühen Zeiten ihrer Einführung, also aus dem zentraleuropäischen Mittelalter fort. Z.B. in dem Wort 'Missionarsstellung'. Die katholische Kirche hatte den christlichen Untertanen bekanntlich verboten, aus reiner Lust zu koitieren. Der natürliche Trieb zum Sex sollte per obrigkeitlichem Dekret ausschließlich der Fortpflanzung dienen, war darüber hinaus zur Sünde erklärt, seine Praktizierung durfte also keine Freude, keinen Spaß machen. Wie bei den Katholen heute noch gültig und gelehrt. Entgegen der natürlichen Anlage des Menschen; die Natur des Menschen besteht dementgegen gerade darin, daß Sex Spaß macht und schön ist, die Begierde nach dem anderen Menschen und nach dem Sex mit diesem ist die natürlich Funktion der Fortpflanzung. Nicht, wie die Meinungs-Führungoffiziere jesusfundamentalistischer Gesellschaften gern glauben machen wollen, Abzahlungsverträge, Splittingtabellen und das Erbrecht. Sowohl der Verkehr selbst, als auch das Lustempfinden sollten und mussten, sollen und müssen unbedingt ein schlechtes Gewissen machen. Das Institut der Beichte gewährleistet einerseits eine fast absolute Kontrolle, zumal an Sexualität regelmäßig zwei Menschen beteiligt sind, die per kirchlicher Erziehung nicht lernen durften, über Sexualität zu sprechen. Was der eine nicht in der Beichte ausplauderte, erzählte womöglich die andere, Widersprüche zwischen der einen Aussage und der anderen ließen entsprechende Rückschlüsse zu. Andererseits ermöglicht die Beichte, sich dem Verbot der Lust zu unterwerfen und doch Lust haben zu können. Also immer wieder „sündig“ zu werden. Wobei auch die Sünde der Absicht zur Sünde per Beichte vergeben werden kann. Unter der Voraussetzung der Beichte. Die Beichte selbst ist das Bekenntnis der Unterwerfung unter das Verbot. Wenn der Sünder/die Sünderin nicht anerkennte, dass die Lust am Sex eine „Sünde“ ist, würde sie es gar nicht beichten können.
Von den „Sünden“ kann man sich bei den Katholen per Beichte, Ablass usw. freikaufen, während die Evangelen mit permanentem Frust, Verklemmungen und sich selbst wie andere zersetzenden psychischen Störungen herumlaufen mußtenen und trotz der vielen Neuerungen der letzten Jahrzehnte immer noch müssen. Besonders gut zu beobachten an den plötzlich in größter Medienöffentlichkeit agierenden DDR-Pfaffen 1990.
Die 'Missionarsstellung' war diejenige, die im frühen Mittelalter von der Kirche verboten und mit Höllenstrafen belegt war. So dass das normale, niedere, gläubige, folgsame Volk sie im Laufe der Jahrzehnte regelmäßig vermied, als es endlich seine Lektion gelernt hatte. Also spätestens in der Renaissance, in der auch die schönsten Geschichten über diese Praktiken entstanden, z.B. die von Hebel. Anders die Pfaffen, diejenigen, die das Verbot predigten und die Höllenstrafen am besten kannten, denn sie malten sie in den lodernsten Farben. Sie waren aber auch diejenigen, die vor diesen keine Angst hatten, da sie gebildet genug waren, zu wissen, daß die Höllenbilder ihre eigenen verlogenen Erfindungen waren. Sie ließen sich weder durch ihr Keuchheitsgelübde, noch durch ihre Verbotserfindungen den Spaß am Sex nehmen. Und praktizierten Herrschaft, indem sie die Bäuerinnen, Handwerker- und Bürgerfrauen, deren Töchter sowie die Mägde nach Lust und Laune bestiegen, wo und wie immer es sich ergab. Und das taten, was sie den Bäuerlein und Bürgern verboten. Und also Herrschaft praktizierten, bestätigten, zementierten.
Die Anti- (Nach-) Moderne als Variante und Qualität
Man sieht nur, was man weiß, und man weiß, was man wissen darf oder unbedingt will, obwohl man es nicht wissen darf. Der westgesellschaftliche, jesusfundamentalistisch normierte Blick sieht Freiheit, nichts als Freiheit. In den eigenen Verhältnissen. Wo er Unfreiheit sieht, ist es die Unfreiheit der anderen: die der fremden Verhältnisse, der anderen Kultur und Denkweise, der Weltanschauung gar. Die harmlose Variante ist die Befangenheit der politischen Gegner in den Widersprüchen ihrer Politik. In der Sicht des Kritikers. Eigene Widersprüche sind auch hier tabu. Dieser Blick unterscheidet strikt zwischen dem angeblichen Gegner, der allerdings ein Konkurrent um Pfründe ist (Mitglied der anderen Parlamentspartei, mit dem man sich öffentlich fetzt und hinterher außeröffentlich gemeinsam Bier trinkt oder Wein und gemeinsam die Verarsche des Publikums belacht) und Feind (Barbar, Jude, Kommunist, Terrorist, DDR-Bürger). Das durch das Eingeborensein in die Verhältnisse an diese völlig angepasste und fügsame Individuum zeigt keinerlei Symptome der Unfreiheit. Jedenfalls keine, die die anderen Individuen, die die selben Symptome zeigen, als solche interpretieren könnten. Die totalelitäre Unfreiheits-Unschärfe-Relation:
Menschen, die in einem gesellschaftlichen System der Unfreiheit sozialisiert sind, insbesondere so unfrei sind, daß sie andere Kulturen, Lebensformen und Gesellschaftskonzeptionen nicht einmal zur Kenntnis nehmen, geschweige denn ihre Legitimität begreifen, vermögen es nicht, die eigene Unfreiheit zu erkennen. Je vollständiger, einseitiger, absoluter sozialisiert, desto weniger. Ihnen fehlt damit jede Voraussetzung zum Vergleich, eines der grundlegendsten Erkenntnistechniken überhaupt. Zumal wenn die Herrschaft den Vergleich mit Sätzen wie „Das kann man nicht vergleichen!“ hoch tabuisiert. Wie im Zoo geborene und lebenslang verbliebene Tiere, deren Verhalten nur von Artgenossen gesehen werden können, die im selben Zoo ständig neurotisiert werden. Wenn man den menschlichen Individuen dann noch stereotyp erklärt, dass ihre Symptome der Unfreiheit Symptome der Freiheit seien,ohne dass Gegenstimmen hörbar wären, brauchen sie nicht einmal mehr eine Definition von Freiheit. Und glauben alles andere auch noch.
Aber was ist Freiheit? In der jetzigen, als neoliberal firmierenden Antimoderne zunächst und vor allem eine aus dem US-amerikanischen Pragmatismus herkommende Worthülse höchster Priorität. Die praktisch nicht viel mehr bedeutet, als dass eine kleine Minderheit aller Menschen auf dem Erdball Innhaber dieser Freiheit ist, auch indem sie zwischen einer steigenden Zahl von Konsum-Marken wählen kann: Zigaretten, Autos, Jeans, Make ups, Reiseveranstalter, religiöse Bekenntnisse, politische TV-Schaukämpfe usw. Bezogen auf die Zigaretten heißt dies logischerweise, zwischen verschiedenen Todbringern „freiwillig“ wählen zu dürfen. Als hätten sie wirklich eine Wahl. Diese „Freiheit“ geht auf Kosten der Mehrheiten der Weltbevölkerung und schließt diese von dieser „Freiheit“ aus. Die Durchsetzung dieses Freiheits-Verständnisses geht auf Kosten sämtlicher anderer Freiheitsvorstellungen und damit verbundenen Interessen. Ob es nun die Gesellschaftskonzeptionen der französischen Revolution von 1789 (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit), des europäischen Anarchismus, der Arbeiterbewegung, der Kommunisten oder asiatischer, afrikanischer, südamerikanischer Kulturen und Befreiungsbewegungen ist. Oder auch nur das Ansinnen der schwarzer Bürger Afrikas, daß wenigstens die afrikanische Erde ihnen genauso gehören soll wie die europäische den Weißen. Keine dieser tradierten oder geträumten Lebensformen kann auch nur als kompatibel zur Marken- und Konzernfreiheit gedacht werden. Vielmehr beweist die weltweite Lebenspraxis, vor allem ab 1945, dass die „Freiheit“ US-amerikanischer Provenienz sowie ihre Konsum-Produkte zerstörerischer ist als alle bisher bekannten Unterwerfungs-Dogmen und Konzeptionen. Wo der weiße Mann anderen gegenüber seine „Freiheit“ durchsetzt, da haben Natur, Vorkommen an Bodenschätzen, junge Mädchen, Neugeborene immer kürzere Halbwertzeiten.
An dieser Stelle ist es nicht notwendig, einen positiven, umfassenden, universalen Begriff von Freiheit geben zu wollen. Es genügt hier die Ausschließung: Freiheit ist wohl nicht gegeben, wo der Menschen gezwungen ist, gegen seine Natur zu leben. Auch wenn er es gar nicht erst merkt, da er die Zustände seiner Unterdrückung, seiner Degradierung, seiner Regression für natürlich hält. Wozu er durchaus in der Lage ist, wie die bisherige bekannte Menschheitsgeschichte und aktuelle Empirie zeigen.
Alle Herrschaft des Menschen über den Menschen bedeutet aber eine Einschränkung seiner natürlichen Bedürfnisse bzw. bei der Befriedigung derselben, schon das Zusammenleben vieler Individuen auf dem engsten Raum der Großstadt, widerspricht dem phylogenetisch in der Primaten-Horde erworbenen Gen-Ballast, den auch der nachmoderne Mensch noch mit sich herum trägt. Also deduzieren wir weiter: Freiheit ist über das objektiv notwendige Maß hinaus dort abgezogen und gebiert also Unfreiheit, wo der Natur des Menschen anders oder mehr Gewalt angetan wird, als zum friedlichen, auskömmlichen Zusammenleben des Menschen notwendig ist.
Nun könnten totalelitäre Schlauköpfe leicht auf die Propaganda-Idee kommen, dass die Unterwerfung des Menschen unter restriktive Sexualvorschriften und verdummende Unvernünftigkeiten gerade diesem humanistischen Zweck diene, ja dass diese geradezu eine gesellschafts-, kultur-, friedens-, arterhaltende Funktion hätten. Dies zu widerlegen erscheint an den wichtigsten, nämlich den akuten Beispielen der jeweils aktuellen gesellschaftlichen Dummheiten und Vorschriften, eher schwierig. Da diese ja zumeist nicht als Dummheiten, sondern als Ausflüsse höherer göttlicher oder Herrscher-Weisheiten oder wenigstens antimodern als Diktat von Sachzwängen und des Zeitgeistes erscheinen. Was bei dem praktizierten hohen Maß der Indoktrination auch und gerade durch die logischsten Argumenten und simpelsten Beispiele kaum zu erschüttern ist.
Aber wenigstens ist für die Dummheiten und Restriktionen der Vergangenheit, also für die, die die Herrschaft nicht mehr benötigt, die sich als uneffektiv erwiesen haben und deshalb zu erkennender Kritik freigegeben sind, ein solcher Beweis leicht zu führen. Denn zum einen haben diese in ihrer Geltungsdauer die Kriege und also Dezimierungen der Vergangenheit nicht verhindert, ja diese zum Teil herbeigeführt. Zum anderen ist die Menschheit nicht untergegangen, da die Herrschaft auf die veralteten Dummheiten und Restriktionen verzichtet hat. Wiewohl sie zum Zeitpunkt ihrer Anwendung so gepriesen wurden. Ob es nun die Überlegenheit der eigenen Rasse oder Religion war, die Erbfeindschaft, die Religionslosigkeit des Individuums, das Scheidungsverbot, das Wiederverheiratungsverbot bzw. Nichtverheiratungsgebot, die Ächtung außerehelichen Geschlechtsverkehrs und die Ächtung bzw. Diskriminierung unehelicher Kinder. Von diesen und anderen hingen Bestand oder, bei Nichtbeachtung, Untergang des Abendlands ab. Jedenfalls wurden diese Restriktionen während ihrer Gültigkeit so begründet. Und kein Untergang der Menschheit oder auch nur des Abendlands geschah, als die Verbote überwunden waren. Untergegangen aber sind Herrschaften und ihre Hierarchien, Mächtige wurden geschwächt und mussten sich in die Macht mit anderen Mächtiggewordenen teilen.
Da der Bürger, wie schon ein gewisser Karl Marx feststellte, die bürgerliche Gesellschaft als natürlich empfindet, und nicht die Tendenz hat, die widernatürlichen Einschränkungen als solche zu empfinden oder auch nur zu erkennen, sind, wie der DDR-Dramatiker Heiner Müller es ausdrückte, gesellschaftliche Änderungen, die über sukzessive, tendenzielle hinaus gehen, wo also die Verhältnisse umgewälzt werden, von einem erheblichen Materialwert. Wie beim Anschluss der DDR an die Brd. Ob man das nun Revolution der Konterrevolution nennt, Revolte, Restauration oder Wiedervereinigung. Oder Anschluß. Im Blick auf die gesellschaftlichen Umwälzungen auf allen Gebieten bekanntlich von anderer Qualität als bei der „Wiedervereinigung“ des bürgerlichen Österreich mit Hitler-Deutschland 1938. Denn sowohl in Sachen Sexualität, als auch in Fragen der Vernunft hatten sich die beiden Länder DDR und Brd aus gemeinsamem Ursprung innerhalb weniger Jahrzehnte erheblich auseinander entwickelt. Was von den authentischen DDR-Oberen und -Propagandisten immer behauptet, von den Brd-Sonntagsrednern und Kanzelpredigern immer geleugnet wurde. Anders als die viel länger existierenden deutschen Staaten und der Staat Österreich zum Zeitpunkt der damaligen Wiedervereinigung. Es ist bezeichnend für die Macht der Brd-Mächtigen und die Qualität ihrer Herrschaft, dass die kulturellen Differenzen zwischen DDR und Westdeutschen ca. ab Mitte/Ende der 1990er Jahre zwar konstatiert werden dürfen, dass die immer größer werdenden Diskrepanzen ebenfalls ab diesem Zeitpunkt beklagt werden, dass aber nirgendwo ein Irrtum westlicher Meinungsführer-Eliten eingestanden, nirgendwo darauf verwiesen wird, dass die SED und ihre Professoren und Ideologen in dieser Frage recht behalten haben. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Und Herrschaft bleibt Herrschaft, solange sie in der Lage und willens ist, Unangenehmes, Unpassendes außer Betracht zu halten.
Den so genannten Brd-Wissenschaftlern, die sich mit der so genannten Transformations- und Diktaturforschung pseudowissenschaftliche Meriten, Titel, Wohlstand und Wohlleben verdienen, fällt wie selbstverständlich nicht auf, wie lohnend ein wissenschaftlicher Vergleich der Anschlusspolitiken um 1935, 1938 und 1949-1990 wäre und selbstverständlich Vergleiche der Anschlüsse selbst. Die einzige Voraussetzung wäre hier und ist nicht gegeben: wissenschaftliches Erkenntnisinteresse. Stattdessen suhlt sich die Hure Wissenschaft im Sumpf staatsoffizieller Verblödung, illustriert die staatsoffizielle Verblödungsformel 'rot = braun' und liefert fast ausschließlich medienkompatible, also entsprechend einfach strukturierte und erwünschte „Erkenntnisse“, die dann von FAZ, Spiegel, Focus & Konsorten multipliziert werden, die alt bekannten Feindbilder auffrischen und eins ums andere Mal Herrschaft konstituieren.
Die Antimoderne unterscheidet sich von der Moderne und deren Vorgängersituationen unter anderem darin, dass früher die Geschäftsgrundlage weitestgehend so galt, wie sie veröffentlicht wurde und das explizite Bekenntnis zu dieser abgefordert wurde als die allgemeine Grundlage der Subsumierung bzw. Unterwerfung. Das Bekenntnis zu Gott und dem jeweiligen weltlichen Herrscher, das zum Feldherrn, zur Partei, zur Arbeiterbewegung, zum reaktionären Freikorps, das der Zugehörigkeit elitärer Weltsicht des Adels oder der SS oder dem entgegen zur kommunistischen Weltbewegung. Dieses explizite Bekenntnis lebt in vergleichsweise wenigen Ritualen auch in der Antimoderne bis auf weiteres fort: Im Amts- und Fahneneid, Treueschwur, Parteiwerbung und Wahlversprechen usw. Allerdings verlangen antimoderne Strukturen dort, wo das explizite Bekenntnis abgelegt wird, vor allem bei hohen, einflussreichen Positionen, nach Signalen in Richtung Obrigkeit, die das Bekenntnis relativieren. Moralisten sind nicht gefragt. Können nicht gefragt sein. Die Show muss weitergehen in Politik und Wirtschaft, das Volk soll unterhalten werden, das darf aber nicht die Geschäfte stören.
Die Entwertung des expliziten Bekenntnisses ist zu denken im Zusammenhang mit der Qualitätsänderung der Geschäftsgrundlage bzw. ihrer Bekanntgabe. Wenn die offizielle, die geschriebene, veröffentlichte Geschäftsgrundlage und die wirkliche auseinander fallen, die wirkliche der veröffentlichten sogar widerspricht, sind auch gleichzeitig einander widersprechende Bekenntnisse notwendig. Als Voraussetzung für das Funktionieren des Systems, als Voraussetzung der individuellen Karriere in diesem System.
Auch hier lehrt der Blick zurück in die Geschichte. Und zwar auf die Hitler-Partei und ihre Protagonisten. Die sich einerseits offiziell als auch Interessenvertreter der Arbeiterschaft und der kleinen Gewerbetreibenden bekennen, andererseits heimlich bei Großindustrie und Wehrmachtsgeneralität Geld und Sympathisanten sammeln mit der Erklärung, dass das alles nicht wirklich so gemeint sei und nur dem Einsammeln von Stimmen im bürgerlichen Wahlzirkus diene. Was selbstredend von den Staatshonoratioren akzeptiert und goutiert wurde. Symptomatisch wiederum, dass und wie die offizielle Brd-Historiographie, -Soziologie, -Propaganda das offizielle Selbst- und Gesellschaftsbild der Nazis kolportiert und im Nachhinein geradezu kultiviert und die Widersprüche ausblendet oder kleinredet. Das Trugbild vom Volksgenossen, von der Gleichheit zwischen „Betriebsführer“ und den Arbeitern erklärt nach der herrschenden Propaganda den Nazi-Staat hinreichend, die Millionen und aber Millionen Reichsmark für Hitlers Wahlkämpfe, gespendet von den Großindustriellen, die Empfehlungsschreiben an Hindenburg erklären demnach nichts, kommen oftmals in den Geschichts-Erzählungen gar nicht erst vor oder unter fernerliefen. Was nicht verwundert angesichts der Tatsache, dass in die Brd-Gesellschaft dieselben Herrschaftsmechanismen eingebaut sind: Da sammelt Kohl in paar Wochen mal eben 5 Mio DM für sich und die kriminellen Organisation CDU, da muss sich jemand, der Kanzler werden bzw. bleiben will, mit den Herren der Großindustrie verständigen und ihnen erklären, was er vorhat. Wären diese Erklärungen identisch mit denen fürs gemeine Volk, müsste er sich mit den Herren nicht extra treffen.
Die Gründe für den proklamatorischen Wechsel liegen im übrigen auf der Hand: Bis in die Moderne hinein wurde den Unteren im Interesse der elitären Herrschaft, nicht zuletzt unter Beiziehung der Bibel als Propaganda-Instrument, die Ungleichheit gepredigt, wurde diese bis in die Gesetze hinein fixiert. Die Ungleichheit als offizielle, gottgewollte gesellschaftliche Norm sicherte die Herrschaft ab, machte sie aber auch anfällig. Die Herrschaft wurde angegriffen, indem die Ungleichheit angegriffen wurde. Ein Weg, die Herrschaft unangreifbar oder wenigstens weniger angreifbar zu machen, war der Wegfall. Nicht der Ungleichheit, denn das würde den Wegfall dieser Herrschaft bedeuten. Vielmehr schaffte man deren offizielle Proklamation ab. Die Ungleichheit wurde in Gleichheit, Gleichberechtigung, Chancengleichheit usw. umbenannt. Was den Wegfall einiger wirklicher Ungleichheiten nach sich zog, aber auch die Einführung neuer. Die Ungleichheit wechselte ihre Qualität.
Die Hitler-Demagogie stellt für Deutschland den offensichtlichen Schlusspunkt des Übergangs von der staatsbürgerlichen Ungleichheit bei offenen proklamierter Ungleichheit zur Ungleichheit bei proklamierter Gleichheit dar. Die Brd-Soziologie und -Historiographie konstatiert hinsichtlich der Nazi-Herrschaft gern einen so genannten Modernisierungs-Schub. Meistens bleibt die Behauptung desselben abstrakt, unkonkret, vage. Auf nichts träfe diese Bezeichnung besser zu als auf die hier beschriebene Umstellung. Aber diese darf von den Staats-Professoren gerade nicht benannt und analysiert werden, weil die tatsächlichen Herrschaftsstrukturen weitgehend tabu sind für öffentliche Diskurse. Zumal für staatlich alimentierte.
Wenige Jahre vor der Naziherrschaft galt noch das Mehrklassenwahlrecht, das Wahlrecht der Frauen war erst nach der mißlungenen und durch die SPD-Führer verratenden Revolution eingeführt worden. War es also unter der Bedingung proklamierter Ungleichheit für die Aufrechterhaltung der Ungleichheit günstig, die Wahrheit hinsichtlich der verfolgten Interessen zu sagen, sich also zur Aufrechterhaltung der Ungleichheit zu bekennen, wurde es unter der Bedingung proklamierter Gleichheit zur Aufrechterhaltung der Ungleichheit notwendig, sich öffentlich zur Gleichheit zu bekennen, aber etwas anderes zu meinen bzw. außeröffentlich etwas anderes zu bekennen. Die Original-Nazis entwickelten zwar schon die sprachliche Regeln, mit denen für die Obrigkeiten bzw. das System erkennbar beides auf einmal bekannt werden konnte, vor allem im Zusammenhang mit dem Krieg, aber die antimodernen Qualitäten wurden letztlich erst in der Brd ausgeformt. Nicht zuletzt mittels Integration der Nazi-Spezialisten in den Brd-Staatsapparat und Tradierung ihrer Sprache, Herrschaftstechniken und -methoden. Selbstverständlich unter der diktierten Berücksichtigung US-amerikanischer Erfolgs-Methodik.
Höchstmögliche Effektivität einer solchen Herrschaft, die in weit stärkerem Maß Mittels Sprache praktiziert wird als zuvor, ist offenbar gegeben, je weniger das System für die divergierenden, einander zum Teil ausschließenden Bekenntnisse verschiedene, von einander abgeschlossene Öffentlichkeiten benötigt. Diese zu konstruieren und aufrecht zu erhalten, ist ja nicht nur teuer, sondern verkompliziert womöglich Entscheidungs- und Steuerungsprozesse. Das heißt, sie benötigt eine ambivalente, eine doppelt- oder mehrdeutige Herrschafts-Sprache, dabei aber ein Codierungs- und Decodierungssystem, das hinreichend eindeutig, genau ist und sicher funktioniert. Eines der bekanntesten Beispiele, da hier dem Publikum seit Jahren die Codierung in Buchform angeboten wird, ist die Sub-Sprache der Beurteilungen und Arbeitszeugnisse. Von dem auf Grund dieser Kenntnisse auch die Fehlerroutinen offensichtlich sind, die ein solches System braucht und mit dem alle Bereiche dieses Doppel-Bedeut-Sprechs ausgestattet sind.
So werden also Herrschaftssätze gebraucht, die etwas sagen und etwas anderes bedeuten. Das ist offenbar eine wesentliche Geschäftsgrundlage im Wirtschaftsbereich Politik. Diese Doppelzüngigkeit meisterlich beherrschen zu erlernen macht das Wesen der Politiker-Sozialisation aus. Die Kunst der Politik erreicht immer dann einen antimodernen orgiastischen Höhepunkt, wenn eine große Lüge geboren ist, deren erste Kriterien darin bestehen, dass jeder sie als Lüge erkennt oder doch wenigstens empfindet, aber niemand sie öffentlich nachweisen kann. Jedenfalls nach den offiziell geltenden Regeln.
Zurück zur Fast-Gegenwart: Oskar Lafontaine schickte sich als SPD-Chef und Bundesminister 1998 offenbar an, wirklich zu tun, was er im Wahlkampf dem Wähler bekannt hatte, und wurde folglich von denen abgewählt, die die falschen, nämlich seinerseits ehrlichen Signale erhielten. Lafontaine hatte die Geschäftsgrundlage nicht eingehalten, in dem er seine öffentlichen Versprechen einhalten wollte. Dafür kann ja die Geschäftsgrundlage nichts. Dergleichen Verhalten wird vom System bedingungslos geahndet.
Zu denken gibt dieser Vorgang immerhin hinsichtlich der Naivität eines Mannes, der es immerhin bis zum jahrelangen Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gebracht hatte, zum SPD-Chef und schließlich zum Super-Bundesminister. Aber auch hinsichtlich der Unterschiedlichkeit der Zugangsvoraussetzungen für unterschiedliche höchste Ämter.
In der Brd des Jahres 2000 ist es praktisch unmöglich, die auf menschenrechtswidriger Herrschaft basierenden rechtlichen Asymmetrien zwischen westdeutschen Obrigkeiten, seien diese Minister, Beamte, Restitutions-Forderer, sonstige Betrüger und Halsabschneider, Strolchdiebe und Oberlandesgerichtsanwälte, Richter oder Chefredakteure und den Ostdeutsch-Fremdbeherrschten kritisch anzugreifen. Nicht zuletzt, weil diese Asymmetrien propagandistisch als rechtliche Gleichstellung verkauft werden. Und damit die zu totaler Entrechtung und Enteignung der DDR-Bürger und also zu immer mehr Ungleichheit führende Herrschaft der westdeutschen Obrigkeit unangefochten bleibt. Obwohl die konkreten Formen der Entrechtung der DDR-Bürger bis hin zu ihrer Depressivierung und Suizidierung wie ein Ei dem anderen denen der Entrechtung und Enteignung der deutschen Geltungs-Juden in Nazideutschland gleichen, die wiederum als hochverurteilenswert gelten. Offiziell allerdings nur, wenn sie die damaligen Juden betreffen. Über Enteignungen gegen Kommunisten in den 1930ern wie in den 1950ern wie in den 1990ern kräht kein Hahn mehr. SPD und Gewerkschaften sind mittlerweile so verkommen bzw. so selbstentmachtet und -entmannt, dass auch deren Enteignung kaum noch öffentlich thematisiert wird. Bei geradezu kampagnenartigen Booms diverser Nazis-Themen von Leni Riefenstahl, Zarah Leander über KdF bis zur SS und Hitlers angeblich Geliebten.
Realisiert wird diese ungleiche Bewertung des Gleichen in aller Öffentlichkeit mittels einer hoch ambivalenten Sprache, die per Grundgesetz offiziell der Gleichheit verpflichtet ist, aber die in der DDR praktizierte Gleichheit gleichzeitig als höchstes Verbrechen klassifiziert, die offiziell der Kritik, ja Verdammung der Nazi-Diktatur verpflichtet ist, es aber hin bekommt, fast alle Kritik zumindest auch als Hommage klingen zu lassen. Auf der Grundlage von Herrschaftssätzen, die immer besser sowohl die Ambivalenz bieten, also auch die eindeutige Verschlüsselung und Dechiffrierbarkeit der zweiten, der inoffiziellen Ebene.
Das explizite Bekenntnis verschwindet also sukzessive mit dem Übergang zur Antimoderne aus dem Alltäglichen. Mit dem Kriegerdenkmal, dem Pathos, überhaupt dem Gegenständlichen wie dem Echten aus dem gesellschaftlich-politischen Leben und der es und die Gesellschaft symbolisierenden Kunst. An deren Stelle treten das indirekte Bekenntnis, Beliebigkeits-Abtraktionen, emotionale wie politische Indifferenz, die Gleichschaltung von Kunst, Kultur, Medien mit dem Kommerz. Wie durch die kommerziellen tv-Sender demonstriert. Eine Herrschaft, eine Kunst, eine Kultur, die sich nicht nur zunehmend vor den Beherrschten geheim hält um sie auf der Basis alle 4 Jahre angeblich per Votum entscheiden zu lassen, sondern darüber hinaus vor den Protagonisten der Herrschaft selbst. Mit verheerenden, zum Teil sicher auch ungewollten Folgen. Auch das gehört in diese Herrschaftstechnik: Nicht jede öffentliche Nichtigkeit verbirgt etwas. Das Volk ist dennoch angehalten, es zu suchen. Und siehe: Gerade da, wo nichts ist, darf jede Menge gefunden werden.
Des Kaisers neue Kleider
So sind Kunst und Kultur, die von je her die Aufgabe hatten, Ästhetik und Ethik der Menschen normieren zu helfen, dazu nicht mehr in der Lage, wenn die Menschen sie nicht mehr verstehen. Da sie z.B. in englischer Sprache vorgetragen werden, da die abstrakt daher kommen oder eine Codierung benutzen, die höchstens der sogenannte Künstler selbst kennt und dann eventuell noch ein, zwei gekaufte Kunstinterpreten und -vermarkter. Wenn nicht sie diejenigen sind oder aber jeder seine eigene hat. Selbst wenn etwas von einer abstrakt vorgetragenen Botschaft verstanden würde, es wäre nicht in Ethik übersetzbar. Schon gar nicht lassen sich diese Werke im ursprünglichen Sinn des Wortes menschlich verstehen, wenn sie gar keine Aussage haben. Ob U oder E, Schlager oder Oper, Installation mit musealer Interpretation oder Betonklotz auf öffentlichem Platz. Wir haben es im Zusammenhang mit diesen „Kunstwerken“ zumindest zum Teil mit Konkretisierungen des implizierten Bekenntnisses zu tun. Also mit dieser speziellen, antimoderne Herrschaft charakterisierenden Art von Machtsätzen.
Indem der Kunstwissenschaftler, Journalist, Sammler selbst dort eine Aussage erkennt, wo gar keine ist, und diese womöglich wortreich erklären und begründen kann, nach dem aus dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ bekannten Prinzip, zeigt er trefflich die Unterwerfung unter das aktuelle Herrschafts-System an oder wenigstens seine Bereitschaft dazu. Überhaupt beschreibt diese Märchensituation gültig die antimoderne Gesellschaft-Situation. Doch während im Märchen das Kind die Wahrheit weiß und sie ausspricht, da es nicht weiß, dass dies verboten ist, also nicht hinreichend zum Lügen- oder nur angepassten Spieß-Bürger sozialisiert ist, gibt es in der Antimoderne keine Kinder mehr. Ob es nun die politischen Hofschranzen, ob es die Wirtschaftsbosse oder ob es die Richter sind: Sie begeben sich lange nicht mehr unters Volk, setzen sich seinem Urteil gar nicht erst aus. Dessen Stimmen dringen nicht bis an die Ohren der allmächtigen Herrscher. Stattdessen bestätigen ihnen die von ihnen selbst gleichgeschaltet-beherrschten Medien, die von ihnen selbst handverlesenen und zugelassenen medialen Meinungsunterführer, wie schön die Kleider ihrer Politik seien...
Während die biblischen Geschichten wie die Volksmärchen der Brüder Grimm immerhin der Belehrung wie der Unterhaltung galten, der Weitergabe der Machtsätze und der Erörterung der pragmatischen wie der moralischen Verhaltensmöglichkeiten der Beherrschten gegen sie, während die gemeinsam gesungenen Volkslieder sowohl die Gemeinschaft der Untertanen formierte als auch ihre von Obrigkeit und Religion zurück gewiesenen Glücksansprüche und Hoffnungen, vermögen das die größten Teile der Pop-Kultur schon deshalb nicht, weil sie gar nicht verstanden werden können. Jedenfalls vom größten Teil des weltweiten Publikums. Auf Grund der totalen Unterwerfung von Kunst- und Kulturprodukten unter die Produktverwertungsmechanismen sind diese nicht mehr geeignet, gesellschaftliches Verhalten in einem menschlich-kulturellen Sinn, in Richtung auf eine menschliche Universal- oder auch nur ganzheitliche Ethik positiv zu normieren. Die aktuellen Normierungsimpulse orientieren die Individuen letztlich nur noch in Richtung Konsum und Chart-Hierarchie. Durch diese Produkte kann nur eine äußerst reduzierte, eine Konsumenten-Ethik gelehrt, vermittelt werden. Und sie wird es. Als zeitgemäßes tagtägliches Unterwerfungstraining für die Unteren. Man kann auch sagen: Kunst und Kultur hören zumindest tendenziell, nämlich im aufklärerischen Sinne auf, es zu sein, indem sie Produkte, also Ware werden. Und verlieren so ihre ethisch normierenden Funktionen, die sie bis ans Ende der Moderne weitgehend inne hatten. Als sie die Ungleichheit sowohl propagierte, als auch kritisierte und angriff. Übrig bleiben, selten genug, ästhetische Maßstabsetzungen. Falls überhaupt. Zumeist werden aber auch diese dominiert vom Marketing und mit diesem gleichgeschaltet.
Mit dem Anschluss der DDR geschah dort nun das Katastrophen-Kontrast-Programm eines plötzlichen, geradezu überstürzten Übergangs von weitestgehend reduzierter moderner Herrschaft zu antimodern-forcierter. Die Unterwerfung von an mildeste moderne, zu großen Teilen in Aufhebung, Auflösung, im Absterben befindlicher Herrschaftsformen gewöhnte, angepasste Menschen unter antimoderne, erniedrigende Verhältnisse. Aber auch der westlich-antimoderne Blick auf moderne Verhältnisse als kurzzeitige Innensicht. Der Westmensch sah sich für den Moment konfrontiert mit Perspektiven, die für ihn längst vergessene Geschichte und Perspektive waren. Ob dies nun die Geschichte der Arbeiterbewegung war, die Trennung von Staat und Kirche, bürgerlich-humanistische Bildungsansprüche oder die Begegnung mit den Bauhaus-Perspektiven, in der DDR wegen der widrigen ökonomischen Umständen mit großen Abstrichen, aber immerhin weitergeführt. Diese waren nicht auf geduldigem Geschichtslehrbuch- oder Konrad-Adenauer-Stiftungs-Papier abgebildet, das prinzipiell nicht widerspricht und sich nach Belieben neu be- und umschreiben lässt. Träger dieser Perspektiven waren lebendige Menschen, von denen einige widersprachen und immer noch widersprechen, zum Teil geradezu renitent. Keine Frage: Die Zensur, die es offiziell zwar nicht gibt, hat dergleichen Tendenzen voll im Griff, und die universitäre wie die massenmediale, herrschaftliche Ideologieproduktion formt die Machtsätze zur Ausschaltung, Verniedlichung, Denunziation, Entwertung auch von diesen, dem westlichen Modell widersprechenden Perspektiven hocheffektiv immer wieder neu.
Eine gesellschaftliche Widersprüchlichkeit, die das Verhalten der Menschen herausfordert und den oben erwähnten Materialwert ergibt. In der Konfrontations-Situation erscheinen den Individuen die gesellschaftlichen Normen alles andere als natürlich, als feindlich gar, auch den Individuen, die sie politisch scheinbar gewollt und gewählt haben. Das heißt: Sie haben jemandem und etwas ihre Stimme gegeben unter bestimmten Annahmen. Ein Unterthema zu diesem: Die Macht formuliert daraus: Sie hätten „es“, das meint die tatsächlichen Ergebnisse ihrer Entscheidung, selbst gewählt. Und also auch gewollt. Das will dieser Machtsatz dem Publikum sagen. Tatsache ist dem entgegen: Sie haben überwiegend gewählt, was sie nicht wollten, oder nicht gewählt, was sie wollten. Anders ausgedrückt: Sie sind ganz einfach betrogen worden. Weil sie jemanden oder etwas die Stimme gegeben haben, der oder das ihnen etwas ganz anderes versprochen hatte: Blühende Landschaften und dass es keinem schlechter gehen sollte. Bekommen haben sie Entrechtung und Enteignung, die aber auf keinem Wahlprogramm oder Stimmzettel zur Auswahl standen. Also weder gewählt noch zurück gewiesen werden konnten.
Übrigens gibt es auch hier wieder eine hoch tabuisierte historische Analogie: Im Herbst 1933 ließ eine gewisser A. Hitler ein so genanntes Plebiszit, eine Volksbefragung veranstalten. Es gehört zu den Treppenwitzen der Geschichte, dass der Centralverein Jüdischer Staatsbürger bei diesem so genannten Plebiszit für A. Hitler stimmte. Man kann das in Klemperers LTI nachlesen. Also haben die Juden ihre Vergasung selbst gewählt, ganz demokratisch, denn Hitler hatte in seinem berühmte Kampf-Buch der Welt mitgeteilt, welche Politik er zu machen gedachte. Es gehört zur Unterwerfung unter die heute aktuellen Machtsätze, diese Analogie nicht zu kennen, sie zu verleugnen bzw. aus analogen Vorgängen diametral entgegen gesetzte Schlüsse zu ziehen. Selbstverständlich ist es hoch tabuisiert, öffentlich zu behaupten, die Juden hätte die Katastrophe, in die sie später gebracht wurden, schon 1933 selbst gewählt. Womöglich gilt man bei einer solchen öffentlichen Aussage schnell als rechtsradikal, gar Antisemit. Und zwar unisono den Rechten wie den Linken und der so genannten Mitte obendrein. Während eine solche Argumentation in Bezug auf die DDR-Bürger Standard ist. Obwohl Kohl die DDR-Bürger ja belogen hat und also ein Politik- und Wahlbetrüger ist. Im Unterschied zu Hitler, der wenigstens den Juden im großen und ganzen von Anfang an die Wahrheit sagte und schrieb und sie ihm trotzdem zustimmten, jedenfalls diejenigen, die noch nicht geflohen und noch nicht inhaftiert und noch am Leben waren, jedenfalls mehrheitlich, jedenfalls zum Zeitpunkt des Plebiszits. Ein beredtes Beispiel für die Ambivalenz der geltenden Herrschaftssätze und die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Decodierung.
Einige praktisch-herrschaftliche Beispiele
Um das hier Gesagte zu verdeutlichen einige Beispiele. 4 aus dem Themenkreis Krieg, eines der Thematik Poltik-Geschäft zugehörig. In beiden wird die Poltik-Sprache besonders scharf, normiert, restriktiv, manipulativ verwendet.
1. Der Hufeisenplan, Srebrenica, Milosevic usw.
Für einen Angriffskrieg braucht es Gründe. Niemand fängt grundlos einen Krieg an. Früher, in vormodernen, ehrlicheren bzw. weniger verlogenen Zeiten waren einige der Gründe auch die Begründungen. Diese Eroberungsgelüste und jene Plünderungsabsichten. Spätestens seit der Moderne wurden solche Identitäten höchst selten. Die Begründungen für die Kriege haben mit den wirklichen Gründen regelmäßig nichts zu tun. Ob letztere nun göttlich oder menschenrechtlich abgeleitet sind.
Die Natostaaten hatten den Angriff beschlossen und auch, ihn menschenrechtlich zu begründen. Die notwendigen Konkretisierungen für die tagtägliche Propaganda sollten Greuelgeschichten liefern, die in den Kreativ-Büros der Geheimdienst- und sonstigen Propaganda-Zentralen ausgeheckt wurden. Zwar hat man durch Zensur die Wirkung dieser Geschichten begünstigt, aber dem Wissenden und kritischen Beobachter konnten die Widersprüche selbst ohne zusätzliche Informationen nicht verborgen bleiben. Insbesondere dass immer nur über, aber nicht mit Milosevic gesprochen wurde, ist ein untrügliches Zeichen für die Manipulation. So haben die Nazis Kommunisten und Juden unterdrückt, die US-Administration die Vietnamesen überfallen. Nicht zu vergessen die Erfindung der Massenvernichtungswaffen für den Angriff auf den Irak 2003.
2. Die Kampagne um den Sender B92
Etwa einen Monat nach Kriegsbeginn im Frühjahr 1999 organisierten die Kriegspropangandisten eine nette Kampagne, deren Blödheit ohne weitere Informationen zu erkennen war, ein Bildungsmindestmaß vorausgesetzt. Die Botschaft lautete: Der böse, böse Diktator Milosevic habe den einzigen oppositionellen Sender B92 abschalten lassen. Woran man einmal mehr sehe, was für ein böser, böser Diktator Milosevic sei. In diese Kampagne wurden unbedarft klingende Musik-Ansagerinnen genauso eingespannt wie als seriös ausstaffierte Nachrichtensprecher. Sie dauerte ca. zwei bis drei Wochen.
Niemand kam in der selben Öffentlichkeit – auch nicht in irgend einer Satire-Sendung – auf die Idee, diesen Blödsinn zu verlachen oder sonst Lächerlichkeit preiszugeben. Es gab aber auch keinen ernsten Protest.
Es durfte selbstverständlich nicht einmal die Frage gestellt werden, was denn der Staatschef und Oberbefehlshaber sonst hätte tun sollen. Es durfte nicht einmal angedeutet werden, dass dieser wie jeder andere Staatschef auch, verpflichtet war, die Militärzensur einzuführen. Zumal die selben Medien Jahre und Monate lang angegeben hatten, dass dieser Sender B92 beste Beziehungen nach Westeuropa und in die USA, also in die Angreifer-Staaten habe und von dort auch mit Dollars, DM, Nachrichten, Weltsicht, Strategie versorgt werde. Die Abschaltung des Senders belegte zunächst, dass Milsosevic nicht einerseits 18jährige Wehrpflichtige an die Front schickte und ihm andererseits deren Schicksal und Überleben egal sei. Das durfte nicht gesagt werden. Indem die, die es sagen würden, nicht dürfen und die, die an den Mikrofonen sitzen, nicht wollen oder einfach zu doof sind.
Die nächste Frage, die sich vernünftigerweise anschließt ist: Wenn Milosevic ein böser Diktator ist, weil er einen oppositioneller Sender schließen läßt, da das Land ohne Kriegserklärung mit einer weit überlegenen riesigen Militärmaschinerie offen angegriffen wurde, was ist dann G. Schröder? Der nicht einmal in Friedenszeiten einen oppositionellen Sender zuläßt. Der als Vertreter des Angreiferstaates weitab vom Kriegsgeschehen nicht einmal diese Fragen öffentlich zu stellen zuläßt?
3. Moderation einer Demo-Veranstaltung
Einige aus westlich-friedensbewegten Zeiten Übriggebliebene organisierten in ca. zwei bis drei Wochen eine Protestdemonstration in Berlin. Eine Journalistin wurde gebeten, diese zu moderieren. Sie sagte zu. Sie war feste freie Mitarbeiterin eines Staats-Senders und ihre Chefs erfuhren von ihrer Moderatoren-Aufgabe.
Diese zitierten sie zu sich, so richtig offiziell. Nur um ihr mitzuteilen, sie würden ihr diese Moderation ausdrücklich nicht verbieten. Sie verstand und bat einen Kollegen, der längst berufsverboten war, die Aufgabe zu übernehmen. Verboten hat man ihr die Moderation nicht, aber sie war intelligent genug, auch weiterhin Aufgaben am Sender übernehmen zu dürfen. Denn wenn die Herren wirklich nichts gegen ein solches Engagement hätten, hätten sie sie gar nicht erst einbestellen müssen. Hätte sie die Demo moderiert, hätte sie nie wieder einen Job an dem Sender bekommen. Da sie feste freie Mitarbeiterin war, mußte man sie nicht einmal entlassen. Immerhin darf man ihre Einbestellung so interpretieren, dass die Herren an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert waren.
4. Das Wort Natoangriffskrieg – tabu
Etwa eineinhalb Jahre nach dem Jugoslawienkrieg zur Abtrennung des Kosovo und zur endgültigen Zerschlagung dieses Bundesstaates, die immerhin auch als Vollzug der geopolitischen Ziele der Nazis und insbesondere als eine Revision der Kriegsergebnisse gesehen werden kann und muß, gewann ein süddeutscher Journalist bzw. Moderator einen Prozess. Er bekam recht gegen seinen so genannten Arbeitgeber. Seine Chefs in einem süddeutschen Sender hatten ihn vom Mikrofon genommen, weil der das Wort „Natoangriffskrieg“ benutzt hatte. Ein Wort, das nach den Bildungsregeln für zusammengesetzte Substantive in der deutschen Sprache völlig korrekt ist. Es handelt sich um einen Krieg, den die Nato führt. Da diese angegegriffen hatten, handelt es sich also um einen Natoangriffskrieg. Der Mitarbeiter des Senders hatte nur eins und eins zusammen gezählt und die Regeln der deutschen Sprache richtig angewendet. Und das hätte er nicht gedurft. Meinten die Chefs, die angeblich öffentlich-rechtlich agieren. Seine der Wirklichkeit adäquate Erkenntnisfähigkeit war nicht erwünscht, zeigte ihn seinen Chefs als ungeeignet an, in der Situation des Angriffskriegs öffentlich das Wort zu führen.
Das gesamte Verfahren: rechtswidriges Mikrofonverbot, Klage, Prozeß, Urteil, Wiedereinsetzung als Moderator demonstriert trefflich wie man systematisch Unrecht begehen kann unter Verwendung scheinrechtstaatlicher Gepflogenheiten. Man kann diese Verfahrensweise aber auch wiederum interpretieren als die professionelle, also gezielt und nicht etwa versehentliche Handhabung differierender Herrschaftssätze, offizieller und gleichzeitig tatsächlich geltender inoffizieller. Die offiziellen labern etwas von Presse- und Meinungsfreiheit, die inoffiziellen verwirklichen Diktatur. Als Korrektur erscheint das Gerichtsurteil gegenüber dem Verbot. Tatsächlich ist das Verbot aber die Korrektur gegenüber dem Irrtum des Moderators, er solle und dürfe die Wahrheit sagen. Jedenfalls wenn als der eigentlich Effekt der ganzen Aktion nicht die Wiedereinsetzung des Moderators angesehen wird, nachdem die Kriegstüchtigkeit des Publikums nicht mehr wichtig war, sondern seine kriegswichtige Entfernung.
5. Hertha Däubler-Gmelin und ein einziger gefährlicher lichter Moment
Ein weiteres Beispiel für die öffentliche Akzeptanz von geschichtlichem sowie politischem Blödsinn ist der Sturz der Justizministerin Däubler-Gmelin. Die hatte, wie die Medien meldeten, in einer Wahlkampfveranstaltung 2002 zur Wahrheit tendiert, und war dadurch untragbar geworden. Oder stand sowieso auf der Abschussliste und lieferte nun mit diesem Regelverstoß die Begründung. Jedenfalls hatte sie, dem Vernehmen nach, G.W. Bush, den amtierenden Präsidenten der USA, und A. Hitler miteinander verglichen. Dies wurde als Ungeheuerlichkeit interpretiert, nach kurzer Verwirrung begriff Frau Ministerin und rettete zwar nicht den Posten, aber ihren politischen Kopf, indem sie in die Öffentlichkeit hinein kommunizierte, nie würde sie einen demokratisch gewählte Präsidenten der USA mit dem Diktator Hitler vergleichen. Und niemand lachte, und kein Kind zeigte mit dem Finger auf sie und rief „Die hat ja gar nichts an!“ Denn tatsächlich verhält es sich ja umgekehrt: Busch kam durch Wahlzettel-Manipulationen und Gerichtsbeschluß ins Amt, während Hitler die Millionen Wahlspende der Großindustriellen und -Bankiers zur Amtseinsetzung genügte. Damit ist er nach den offiziell propagierten Regeln ins Amt gelangt.
Däubler-Gmelin durfte nun die Leitung des auswärtigen Ausschusses des Bundestags übernehmen, weil sie gerade noch rechtzeitig begriffen und ihr indirektes Unterwerfungs-Bekenntnis abgeliefert hatte. Indem sie sich unterwarf, ohne es explizit zu verbalisieren.
Der Anschluss, die Macht und die Sexualität
Die Auswirkungen des Anschlusses der DDR an die Brd wurden zum Teil in den Massenmedien ausführlich besprochen, selbstverständlich bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich unter westdeutschem Blickwinkel bzw. von den wenigen handverlesenen, für dergleichen Hilfsdienste zugelassenen und kompatiblen Ostlern. Auch Wissenschaftler und Leute, die als solche gelten sollen und wollen, haben sich den verschiedenen Facetten des Themas angenommen.
Weniger häufig und weniger tiefgründig wurden die kulturellen Differenzen, insbesondere die kulturelle Andersartigkeit der DDR, ihre Ursachen und Auswirkungen diskutiert. Der Leser möge vergleichen, was weiter oben über das Verhältnis zwischen Pseudofreiheit und dem prinzipielle Unverständnis gegenüber anderen Lebensformen als der eigenen ausgeführt ist. Schon gar nicht durfte eine dem Westdiktat widersprechende, authentische Sicht auf die DDR dargestellt, diskutiert werden. Der öffentlich ausgegebene, wiederum eher in den Bereich der Pragmatik gehörende, weil die Zulassungvoraussetzung für Mitsprache bzw. Sprechverbot definierende und zu diesem Zweck ausgegebene Machtsatz lautete: Die DDR-Bürger könnten über die DDR keine adäquaten, keine zutreffenden Aussagen machen, da die selbst in dem System gelebt haben und die notwendige objektive Außensicht für die Beurteilung des Systems nicht hätten. Selbstverständlich durfte sich kein DDRler erfrechen, diesen Machtsatz auf den Westen anzuwenden und Anspruch zu machen auf eigene Meinungsführerschaft hinsichtlich der westdeutschen Verhältnisse. Das steht historischen Verlierern nicht zu, die Verletzung simpelster Logik und menschlicher Gerechtigkeit dürfen hier nicht aufgerufen werden.
Die ideologische Grundlage des Tabus ist klar: Per westlichem, katholisch-evangelischem, auch grundgesetzlichem Dekret galten die DDR-Bürger als verhinderte Westler. Sämtliche konkreten Andersartigkeiten hatten durch die SED aufgezwungen zu sein, die Bevölkerung würde sofort in die westliche Lebensweise, Religion und in das Wertesystem „zurück“-fallen, wenn die Mauer und damit die SED-Herrschaft fielen. Zum einen glaubten die Propagandisten gegen die DDR ihrer eigenen Propaganda zum Teil selbst, zumal sie aus der DDR nur die Stimmen zur Kenntnis nahmen und verstärkten, die sie selbst gezüchtet hatten, die also ihre eigenen westlichen Vorgaben, nämlich die Westsicht bestätigten. Zum anderen beförderte diese Sicht die Entrechtung und Enteignung der DDR-Bürger, was ja die Basis aller Anschluß-Politik war. Diese Verklärungsmuster mußten also schon deshalb quasi religiöse Weihen erhalten. Widersprechenden konnten Berufsverbote erteilt werden, ohne sie so zu nennen, mit der Begründung mangelnder Kompetenz oder ideologischer Vernageltheit. Mittlerweile, also nachdem alle Schlüsselpositionen im Osten mit Westlern besetzt sind, die angeschlossenen DDR-Bürger mit Westausweis fast vollständig durch die westdeutsche Fremdherrschaft enteignet, die Berufsverbote über die Wissenden und sich Trauenden verhängt sind, kommt ein Eingeständnis nach dem anderen. Allerdings nur indirekt, nur im Konkreten, für den Einzelsachverhalt. Dass die SED, die DDR-Wissenschaftler und Propagandisten, die in dieser Partei Mitglied waren, recht gehabt haben könnten, wenigstens zum Teil, darf nicht öffentlich gesagt werden. Wieder einer der Machtsätze, deren Einhaltung Voraussetzung für die Karriere oder wenigstens für den Verbleib im System ist: Die simple, nahe liegende, logische Schlussfolgerung darf nicht gezogen werden. Zugegeben werden wenige, einzelne Fakten, die unleugbar früheren Thesen und Annahmen widersprechen. Es darf dabei aber nicht dieser Widerspruch thematisiert, keine Korrektur oder Zurücknahme früherer Positionen formuliert werden. Und damit keine Frage nach der Kompetenz der Herrschenden und der Regierenden, keine Frage nach den hinter ihren „Irrtümern“ steckenden Interessen.
Als
konkretes Beispiel mag hier die Haltung der Regierenden und
Propagandisten zur Kindertagesbetreuung stehen. Während das
Merkel seine Familienministerin die Kindertagesstätten à
la DDR neu erfinden läßt, wird mit keinem Wort erwähnte,
daß genau dieses Prinzip 18 Jahre zuvor den Propagandisten und
Scharfrichtern als Schwerstverbrechen von SED und DDR galt. Bis
hinein in die Arbeits- und Rentenrechtllichen Auseinandersetzungen:
Wer als Mitarbeiter der Akademie der Pädagogischen
Wissenschaften z.B. an diesem Verbrechen teilhatte, dem konnten die
Kolonialgerichte weder ein Verbleiben im Dienst, noch eine faire
Rente zugebilligt werden. Die Propaganda nahm das System durch seine
praktische Politik zurück, die Strafen nicht.
Das bemerkenswerteste und auffälligste sexuelle Phänomen im Zusammenhang mit dem Systemwechsel war wohl der Gebärstreik der DDR-Frauen. Ein Geburtenrückgang, den der Wirtschaftswissenschaftler und Soziologe Jürgen Kuczynski als historisch einmalig kennzeichnete. Einen Rückgang um über 50% hatte es nicht einmal in den Kriegs- und Nachkriegszeiten des 20. Jahrhunderts gegeben. Ansonsten als Macht- und Herrschaftssätze durchaus zulässige, gar erwünschte biologistische Argumentationen verboten sich von selbst. Denn nach den Maßstäben der Biologie vermehren sich die Individuen einer Population dort besser und also mehr, wo sie bessere Lebensbedingungen vorfinden. Eine solche Schlussfolgerung war schon vor dem Ende der authentischen DDR am 18.3.1990 tabu, erst recht im Zusammenhang mit einem so katastrophalen Geburtenrückgang. Denn die Schlussfolgerungen klängen geradzu gotteslästerlich. Die authentische DDR, und zwar mit der SED als führende Partei, nicht etwa mit SPD oder CDU und schon gar nicht mit angeblichen Bürgerrechtlern als Ton-Angeber, würde wegen ihrer relativ hohen Geburtenzahlen, wegen der Fähigkeit, wirtschaftliche Entwicklung mit menschlichen Reproduktion recht gut in Einklang bringen zu können, als menschlich und menschengemäß erscheinen. Auch hier schützen die Herrschaftssätze hinreichend vor simpelster Erkenntnis. Und müssen es, da die logischen Operationen so nahe liegen und einfach sind, da sie ohne die Barriere wirkungsmächtiger Herrschaftssätze womöglich Allgemeingut würden.
Die Heim-ins-Reich-Holung der DDR traf vor allem die Frauen hinterrücks. Sie wurden, als man über dergleichen noch zur Beruhigung der Gemüter öffentlich sprach, als die Verlierer der Einheit bezeichnet. Fast alle hatten in der DDR Kinder und Arbeit und wurden also auch von den westlichen Kommentatoren und -Innen im Herbst 1989 als auffällig selbstbewußt wahrgenommen, viele waren nicht verheiratet und kamen damit bestens zurecht. Schon gar nicht war diese Lebensentscheidung oder -zufälligkeit, nämlich ohne beschützendem Mann zu leben, aber mit Kind, ein Armuts- oder sontiges Risiko. Im Gegenteil war dies eine Lebensweise, die als lebenswert galt und spezielle Anerkennung einbrachte. Einige durften sich mit gender studies über ihren Abstieg trösten, dem universitären Abstell-Gleis für Wissenschaftlerinnen.
Kinder waren in der DDR eben nicht wie in der Brd ein Risiko für Arbeitsplatzerhalt und in Richtung Altersarmut, sondern galten als gesellschaftlicher Reichtum. Ein Meta-Indiz für die gesellschaftlichen Entwicklungen in der DDR, entspricht diese Sichtweise doch aufklärerischer, naturrechtlicher gesellschaftlicher Zielprojektion sowie mutterrechtlicher, also nichtherrschaftlicher Tradition. Eine solche Geltung konnten die meisten Westler nicht nur nicht nachvollziehen, sie befehdeten sie darüber hinaus strikt, vor allem in der ersten Hälfte der 1990er Jahre. Die Frauen fühlten sich in der DDR in ihrer gesellschaftlichen Position sicher, und zwar weil sie es waren. Was sie in millionenfacher, tagtäglicher Praxis bestätigt fanden. Die sexuellen Beziehung waren in den 40 Jahren DDR fast völlig dereguliert worden. Keine Splittingtabelle, keine Erbschaftssteuer, kein Pflichtteil im Erbrecht, kein § 218 galt. Das ist der Unterschied: Während in der DDR bis in die Psyche hinein langende Macht dereguliert wurde, wird in der Brd, vor allem seit 1990 soziale Sicherheit dereguliert, also hierarchische Macht errichtet, verstärkt, verfestigt. Und kaum jemand bemerkt es. Schon gar nicht öffentlich.
All das und noch viel mehr bekamen die Frauen nun. Die wenigsten, die Ältesten, für die das kaum noch eine Rolle spielte, bekamen das zurück. Da sie es in jungen Jahren, unter Hitler und kürzere Zeit danach schon einmal hatten. Die meisten aber konnten schon deshalb nicht mit dem alten jesusfundamentalistischen Patriarchat wiedervereinigt werden, da sie erst nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik geboren worden waren. Für die in das Land DDR hinein Geborenen und Gewachsenen, denen gegenüber die staatliche und sonstige Kontrolle der Sexualität von außen Schritt für Schritt, Jahr um Jahr vermindert wurde, zog nun das Patriarchat mit voller Wucht wieder ein. Legte den Frauen die Fesseln der Vergangenheit wieder an und damit auch den Männern; freie männliche Sexualität ist mit unfreien Frauen nicht zu haben. Das koloniale System unterwarf beide damit recht konkreter, spürbarer Herrschaft. Die die Individuen mit jedem Besuch des sogenannten Arbeits- oder Sozialamts oder mit den Begegnungen mit ihren Chefs spüren dürfen.
Symptomatisch und symbolisch für die Wiedererrichtung alter Herrschaftsstrukturen war die Schließung aller DDR-FKK-Strände ab 1990 bei gleichzeitiger Ausstellung der Brd- und internationalen Titten- und Pornohefte in allen Zeitungskiosken als Symbol und Mittel staatlicher Sexualitäts-Kontrolle. Schwangerschaftsabbrüche durften nicht mehr richtig so und mussten nun falsch Abtreibungen genannt werden. Um sie zu verbieten oder wenigsten zu erschweren und geldabhängig zu machen. Männer und Frauen mussten auch gar nichts mehr miteinander zu tun haben und schon gar nicht aus menschlichen Gründen. Es auf Anweisung der Polit- und Wirtschaftskommissare des Kolonialsystems wurden Sex-Shops eingeführt, wo man gegen gutes Geld die Hilfsmittel kaufen konnte, die das Fehlen des Partners verschönen, geradezu als Ideal erscheinen lassen. Es wurden jede Menge Puffs aufgemacht, wo Männer gegen gutes Geld warmes Frischfleisch aus Nah- und Fernost mieten konnten. Eine der subtileren Formen der Erniedrigung. Der Männer. Die von anderer Männer Gnaden sich paar Minuten einer Frau überlegen fühlen und benehmen können. Auch die Arbeits- und Sozialämter wurden zu voller Kontroll- und Diktatmacht aufgebläht. Und erhielten die in der DDR unbekannte Kompetenz, terroristisch Zahnbürsten zu zählen, abzufragen und zu kontrollieren, wer mit wem unverheiratet bei wem einwohnt und wie oft in einem Bett schläft. Unter der Meta-Überschrift der Freiheit wurde ein Ausmaß von Kontrolle, Erniedrigung, Unterwerfung, also Unfreiheit eingeführt, die logisch überhaupt nicht miteinander kompatibel sind, was aber doch kaum reflektiert wird, indem selbst die dieser Mißhandlung Unterworfenen die westlichen Freiheitsstatuen wenigstens abstrakt auch weiterhin anbeten. Ein Beleg für Funktionalität und Mächtigkeit der aktuellen Herrschaftssätze. Vorsorgliche Ergänzung: Die Formen der gegen die Frauen praktizierten Erniedrigungen gehören überwiegend zu den weniger subtilen.
Die Herrschaft in der DDR hatte all das abgeschafft. Und damit tendenziell sich selbst. Nicht von heute auf morgen, sondern prozeßhaft. Was ihnen die alt-patriarchale Herrschafts-Propaganda nun vorwerfen konnte. Wenn sie ihr nicht gerade vorwarf, dies oder jenes nicht abgeschafft zu haben. Auch dieser Widerspruch ist gemäß den aktuellen Herrschaftssätzen hoch tabuisiert und darf öffentlich nicht verhandelt werden, obwohl, ja weil er so nahe liegt. Die Neu-Einführung der größtmöglichen Kontrolle über die Sexualität und ihre Folgen ab 1990 auf DDR-Gebiet stand an, da in Tradierung katholischer Herrschaftsmethoden der Kontrollverzicht als grundfalsch angesehen werden mußte. Allerdings wird dergleichen in der offiziellen Propaganda nicht mit Wörtern wie Kontrolle und Macht begründet, auch hier ein Auseinanderfallen von Grund und Begründung, der inoffiziellen und der offiziellen Herrschaftssätze. Es ist dann für gewöhnlich viel von Schöpfung, Würde und Schutz des ungeborenen Lebens usw. die Rede.
Während die Soziologen bei den Ostlern den spürbaren Rückgang sexueller Aktivität messend feststellten, skandierten die Medien, natürlicher Sex sei ein Ausdruck kultureller Unterentwicklung. Die DDR-Bürger hätten mehr Sex gehabt, weil sie zu wenig anderweitige Möglichkeiten gehabt hätten, sich sinnvoll zu beschäftigen und zu vergnügen. Als Beispiel wurden zumeist die oben schon erwähnten Sexshops genannt. Gleichzeitig führte man den Ostlern nun über Schmuddel-tv-Kanäle und mittels flächendeckender Einführung von Video-Recordern anderer Leute Kopulationen vor. Aber auch in den so genannt öffentlich-rechtlichen Programmen, die so heißen, weil dort die Kirchenoberen per Staatsvertrag und offiziell direkteste Zensur und Themen-Vorgabe-Macht ausüben, die allerdings selbstverständlich nicht so genannt werden dürfen, wurde den Ostlern unklar gemacht, was nun mit ihnen geschah. Einige der Vorabend-Serien bildeten ab, was die Wirklichkeit vorgab und weiterhin nachvollziehen sollte: Der Serienheld wurde in den Osten versetzt und führte dort vorbildhaft die neue Zwangs-Unordnung ein. Zum Beispiel ein Oberlehrer Dr. Specht alias Atzorn, der im tv den Westen in Potsdam einführte. Dort alle schicken Ostweiber samt Töchter flachlegte, während die Ostmännchen geduckt in der Ecke kauerten und nichts mehr zu melden hatten. Modellhaft wird hier die neue fremdbestimmte Ordnung vorgeführt. Im richtigen Leben heißt Dr. Specht unter anderem Schönbohm ist ein abgehalfterter Bundeswehrgeneral und brandenburgischer West-Innenminister über die DDR-Bürger. Und zeigt diesen – zackig, zackig – wo und wie es langgeht. Indem er die DDR-Gemeinden – wir sparen, koste es, was es wolle - völlig blödsinnig zwingt, sich zusammen zu schließen, anstatt dies dort zu tun, wo es sinnvoll wäre und wirklich enorme Einsparungen brächte, bei den viel zu zahlreichen Krankenkassen, Versicherungen, Lobbies, Ministerien.
Den Ostmännchen geschah zunehmend genau das, was in der Affenhorde den Rangniederen zugemutet wird: Sie dürfen zusehen, wie andere eine hohe Position und Sex haben, während sie selbst leer ausgehen. Die Ost-Frauen dürfen sich um Beachtung bei den Westmännchen bewerben. Als Sex- und Ehepartnerinnen, als Freelancerin oder Sekretärin. Wenn sie keine Verwendung durch ein Westmännchen oder eines der wenigen Kolaborateure finden, haben sie eben Pech gehabt. Denn die Ostmännchen sind für sie womöglich nicht mehr attraktiv oder so neurotisiert, alkoholisiert, deprimiert, dass mit ihnen nichts mehr anzufangen ist. Oder die sind im Puff oder, wenn sie sich das nicht leisten können, ziehen sie sich eben ein Porno-Video rein. Jedenfalls ist es für sie existenziell gefährlich geworden, normalen, natürlich Sex haben zu wollen mit einer Frau. Sie könnte davon immerhin schwanger werden und er zahlungspflichtig. Was ohne offizielles Einkommen z.T. extrem stressiger ist als mit. Oder sie hat schon zwei, drei Kindern und fällt in Sozialhilfe, dann muss der Mann womöglich für diese aufkommen, wenn er selbst verdient und seine Zahnbürste neben der ihren steht. Gefährlich, gefährlich! Um dem von vornherein keinen Nährboden zu geben, zieht man eben nicht mehr zusammen. Jedenfalls offiziell. Also schläft man zunächst nicht jede Nacht im selben Bett, später weniger zusammen als auseinander, woran man sich schließlich auch gewöhnen kann. Wenn der Leidensdruck groß genug ist. Später merkt man gar nicht mehr, dass etwas fehlt. Wie im hochkulturellen, christlich-abendländischen Westen.
Jedenfalls ist auf diese Weise, nämlich per Gleichschaltung von Ideologie und Kommerz, eine weitestgehende Kontrolle der Sexualität des Massen-Menschen gewährleistet, und dies nicht nur im Hartz IV-Ghetto. Und damit auch die Herrschaft über sie überaupt. Kaum eine Möglichkeit, außerhalb der kontrollierten, gesellschaftlich determinierten Bereiche und Vorgaben, also menschlich zu leben:
Für Sex gegen Geld, muss man zunächst Geld erwerben, um Sex haben zu können. Das bedeutet: Kontrolle. Die fortschreitend einzuhaltenden Modevorschriften, die bis in den Schambereich gehen, bedeutet: Kontrolle. Die immer weitere Normierung der Erotik und Sexualpraktiken spricht Bände. Ob es sich nun um Schamlippenpiercing, Innenoberschenkel-Tätowierungen, Schamhaarfrisurvorschriften, um Tisch- und Stangentanzdarbietungen, Stöckelschuh-Straps-Darstellungen handelt. Die Kommerzialisierung und damit kommerziellen Funktionalisierung und Uniformierung der Sexualität ist das weltgrößte und am tiefsten in seine psychischen Strukturen eingreifende Gefängnis, in dem sich der globaliserte Mensch nordeuropäischen Lebensstils befindet. Es ist ein aus Millionen und aber Millionen Gehirnen zusammengesetztes Knast-Imperium. Um in diesem einzusitzen, sollte man immerhin Geld haben. Die Strafe für das Sichfügen in die Verhältnisse ist lebenslänglich. Wenn er ohne nicht mehr kann, muss er eben Viagra kaufen. Die Werbung wird es ihm schon einhämmern. Wenn sie nicht mehr will, gibt es noch die beauty farm und die Safari quer durch Afrika in Begleitung junger, schöner, kräftiger Wilder. Dann klappt es auch wieder mit dem Nachbarn. Hinterher und hoffentlich.
Die Menschen sind flächendeckend degradiert unter die totale Kontrolle des Geldes und damit auch der Medien. Sie sind bis in die erotischen und sexuellen Phantasien hinein kommerzialisiert und damit gleichgeschaltet. Was in früheren Jahrhunderten die von der katholischen Kirche machtvoll phantasierten Höllenängste waren, später die Drohungen der Mediziner, dass Masturbation zu Gehirnerweichung führe, mit denen natürliche, menschliche Lust belegt wurde, wird in neuerer Zeit, da die Macht der Kirche über die Phantasien der Menschen per Bibelreden nachgelassen hat, unter ihrer Beteiligung ergänzt durch Gegenteiliges: Eine phantasierte Hypersexualität determiniert nun in bunter Bilderflut, was früher nicht gedacht oder geträumt werden durfte. Und vergegenständlicht einmal mehr das Prinzip der falschen Alternative. Der Mensch darf wählen zwischen falsch und falscher. Es gibt für ihn innerhalb des Systems nichts außerdem, schon gar nicht ein menschliches Maß. Er ist von den Bibelsprüchen oder von diesen Bildern beherrscht oder von beidem und also von den Machern und Versendern der Sprüche und Bilder. Wer den Papststuhl innehat, hat die Definitionsmacht über Ge- und Verbote und den Zugriff auf die Vatikanbank, wer die Sender hat, hat auch die Definitionsmacht der medialen virtuellen Wirklichkeit und den Profit aus den Werbebotschaften. Und die Herrschaft. Das Ende der Kirche fordern einige wenige tatsächliche Christen in Anerkenntnis der Natur des Menschen, es lebe die Kirche, verkünden Pfarrer Fliege und die Glocken der ökonomischen Kirchentage unisono mit den Kirchensteuergewaltigen.
Die Triebabfuhr der Männer mittels Videorecorder ist ja nichts anderes als die antimoderne Form des Zuguckendürfens in der archaischen Horde. Ohne Geld ist regelmäßig nicht einmal das zu haben. Die Zulassung im Puff entspricht der Begattungserlaubnis durch die Alpha-Männchen für die unfruchtbaren Tage und gilt als höherwertig gegenüber dem Videorekorder.. Ist deshalb also regelmäßig teurer als das bloß visuelle Vergnügen. Das wichtige für die immer neue Konstituierung von Herrschaft ist die Zugangs-Kontrolle und Hierarchisierung. Im wesentlichen geschieht diese mittels des Geldes, flankiert durch Gesetze und herrschaftlich in Umlauf gebrachte Konventionen.
Um möglichst freien bzw. freizügigen Zugang zu den verschiedenen Formen und Ersatz-Formen von Sex haben bzw. gewähren zu können, brauchen die Weibchen einen Ausgleich für die gesellschaftlich determinierten Risiken des Sex, den die Männchen am einfachsten und schnellsten, übersichtlichsten und zuverlässigsten in Form von sofortigem Geld, auch Cash genannt, geben können. Oder sie versuchen wenigstens, einen solchen zu erlangen. Die Risiken wurden weiter oben benannt, die der alten Herrschaftstechniken und die der neuen Zeiten: Versündigung und damit Ausschluss aus der guten Gesellschaft, Mutterschaft und damit Arbeitslosigkeit und Armut. Also müssen die Männchen das Äquivalent Geld vorzeigen können oder doch wenigstens Zeichen seines Vorhandenseins wie Herkunft, Auto, teure Klamotten, also ihren Rang in der gesellschaftlichen Hierarchie, um von den Weibchen attraktiv gefunden zu werden und für Begattungen in Frage zu kommen.
So ergibt sich in der zur Ein-Drittel-Gesellschaft tendierenden Menschenhorde antimodernen Zuschnitts, dass immer mehr Männchen und Frauen vom natürlichen Normal-Sex ausgeschlossen sind. Die einen können das Geld für die Sicherheit nicht vorzeigen, die anderen das Risiko kaum eingehen und sind sowieso frustriert genug, ohne unbedingt zu wissen, warum. Was allerdings ja beidseitig ist, sowohl das Risiko, also auch die Frustrationen. In der Minderheit der Fälle passiert es auch entgegengesetzt dem allgemeinen Fall, dass sie noch Arbeit hat und ihn alimentieren soll. Das wird gern als Ausdruck der Gleichberechtigung der Geschlechter ausgegeben. Und ist doch nur eine Pervertierung des Gleichheitsgedankens wie die Rekrutierung von Frauen als Soldatinnen in der Armee. Wirkliche Gleichheit menschlichen Zuschnitts kann es nur geben, wenn weder sie ihn, noch er sie zu alimentieren hat. Wenn weder er noch sie einen Waffendienst zu absolvieren hat. Und wo dies sowohl in ihrem, als auch in seinem Kopf angekommen ist. Wovon diese Gesellschaft weiter denn je entfernt zu sein scheint mittels der immer weiter fortschreitenden Perfidie und Methodik artungerechten Menschenhaltung.
Ganz unten in der gesellschaftlichen Hierarchie hocken die Männchen, die sich schon in jungen Jahren nicht einmal den Ersatz, das Zugucken per Video leisten können. Die Weibchen, die weder Kinder, Enkel noch sonst irgend jemanden zu betreuen haben. Damit geht es ihnen regelmäßig – jedenfalls gemessen an den natürlichen Bedürfnissen der Individuen – schlechter als den Mitgliedern der Primaten-Horde. Sie sind vereinsamt, abgeschnitten von ausreichendem Verkehr mit anderen Individuen ihrer Art. Denn wer diese wichtigen kommunikativen Kontakte nicht hat, kann sich auch andere kaum leisten. Und wird immer unfähiger zu diesen. Umgekehrt: Das Individuum hat diese Möglichkeiten nicht, weil die Orte und größeren Gruppen fehlen, sexuelle Kontakte zu lebenden Menschen anzubahnen. Die kommerziellen wie Annonce, Partnervermittlung und Bundespresseball kommen schon gar nicht in Frage.
So stellen nicht nur die Kriege eine unendliche Brutalisierung dessen dar, was als Rivalitätskämpfe auch bei den Primaten stattfindet. Es wird auch die Hierarchie in der elitären und totalelitären Gesellschaft nicht wesentlich anders begründet und konstituiert, durchgesetzt und aufrecht erhalten als bei den Primaten, z.B. durch Sexentzug, allerdings wesentlich brutaler.
Und verlogen. Denn über all dem schwebt christlich-abendländisch der offizielle Machtsatz:
Seid fruchtbar und mehret Euch!